Die Wahrheit: Brexit, ten years after

Dies ist der letzte Brexit-Text, der je geschrieben wird – zum Jubiläumstag 2030. Das wird ein Fest! Und Boris Johnson ist auch dabei.

Boris Johnson am Schreibtisch des Prime Ministers.

Drollig wie ein Kind hinter dem Gästebuch: Boris Johnson Foto: dpa

„Das Wichtigste ist …“, beginnt Boris Johnson, der ewige Premierminister, draußen vor 10 ­Downing Street. Und dann kommt nichts mehr. Der Himmel hinter ihm ist orange gefärbt von den Feuern. Wie lange hat London jetzt gebrannt? Jahre. Viele haben vergessen, dass es eine Zeit gab, in der sich die Stadt nicht in einem bürgerkriegsähnlichen Zustand befand. Jetzt marschieren Tommy-Robinson-Fans durch die Straßen, um zu kontrollieren, ob irgendwelche EU-Bürger oder andere Migranten fehlerhafte oder gar keine Papiere haben. Auf die Art sparen Staat und Johnson Kosten. Wer braucht schon die Polizei, wenn Neonazis freiwillige Dienste leisten?

Die Migranten, die von den Robinson-Anhängern abgeholt werden, werden aber nicht in Lager gesteckt. Die Briten haben aus der Geschichte gelernt! Konzentrationslager sind politisch inkorrekt, altmodisch, deutsch, schäbig! Die Briten konzentrieren ihre unerwünschten Ausländer lieber in „Bearbeitungszentren“. Diese Zentren sind inspirierende architektonische Leistungen – Glaskäfige, die für Transparenz sorgen, mit viel Platz und gut sichtbar platziert: in den High Streets und vor den Einkaufszentren, um alle eindringlich daran zu erinnern, was passieren kann, wenn sich niemand rechtzeitig um eine Aufenthaltserlaubnis kümmert.

Auch die Obdachlosigkeit ist gestiegen, besonders unter den Einheimischen. Allein in der Downing Street liegt ein Berg dahinfaulendes Menschenfleisch – womit nicht der Premier gemeint ist. Der weicht wie gewohnt allen Stolpersteinen und Fettnäpfchen gekonnt aus. Er stolpert nie, ganz egal, wie viele Leichen vor seinen Füßen liegen.

So weit der Blick auf London. Und sonst? Na ja, Schottland ist jetzt unabhängig – und der Hadrianswall wieder instand gesetzt. Nicht so hübsch wie früher, aber groß die Wahl hatte man eh nicht. Also hieß es: Stacheldraht und Beton statt einer nicht mehr zeitgemäßen Vorstellung von Sozialstaat und Immigration, wie sie die Schotten haben! Johnson ist ein moderner Brite, der eine moderne Nation führt. Da müssen auch Entscheidungen getroffen werden, die nicht so populär sind.

Shoplifters of the world

Im Ganzen und Großen aber ist die Stimmung gut. Bei der BBC läuft eine von Hunger Games inspirierte Reality-TV-Show, in der die sogenannten Remainers für ihre Verfehlungen büßen müssen. Ein echter Straßenfeger. Sie müssen Kakerlaken essen und werden gewaterboarded mit echtem Wasser aus dem Ärmelkanal.

Die Supermärkte hingegen bieten immer noch sehr wenig an – Toilettenpapier ist allerdings noch reichlich vorhanden. Besonders beliebt ist das mit der aufgedruckten blauen Sternenfahne der Europäischen Union.

Aber zurück zu Boris Johnson, diesem großartigen, herrlichen Prachtexemplar von Mann! Jetzt setzt er zu einem zweiten Satz an! Er lächelt sein Volk durch die Kamera an und sagt: „Das Wichtigste ist, dass das Land jetzt zusammenwächst.“

Ja, das Land muss wieder zusammenwachsen, die Wunde sich schließen, die Narbe verheilen. Die Gedenkmünze „10 Jahre Brexit“ mit der Gravur „Remoaners you lost, get over it“ ist lange ausverkauft. Die mit dem Slogan „Shoplifters of the world unite and take over“ wurde verboten. Dafür bongt Big Ben wieder. Gerade rechtzeitig.

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kari

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