Gesetz für schnelleres Bauen: Mehr klotzen, weniger klagen

Der Bundestag will 14 Verkehrsprojekte beschleunigen und schränkt Klagerechte von Bürgern und Umweltverbänden ein. Das führt zu Protest.

Bahn auf dem Weg nach Sylt

Hier soll ausgebaut werden: Bahn auf dem Weg nach Sylt Foto: dpa

BERLIN taz | 26 Jahre hat es gedauert, bis die ICE-Trasse Berlin-München fertig war. Das ist nichts gegen den Kölner Dom, gebaut in 632 Jahren und zwei Monaten. Aber das waren auch andere Zeiten. Es soll schneller vorangehen. Am Freitag hat der Bundestag dazu zwei Gesetze verabschiedet, beide aus dem Hause von CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer, der Großprojekte „von der Standspur auf die Beschleunigungsspur“ bringen will. Nur: Nicht jeder findet den neuen Weg rechtens.

Mit Gesetz Nummer eins sollen Verfahren für Ersatzneubauten schlanker werden. Muss eine Bundesfernstraße vorübergehend verlegt werden, weil eine marode Brücke repariert wird, braucht es kein umfassendes Genehmigungsverfahren mehr. Das ist wenig strittig. Allein die Linken enthielten sich am Freitag.

Anders ist das bei Gesetz Nummer zwei. Dagegen stimmten Linke und Grüne, auch einige SPDler. Auch renommierte Verfassungsrechtler haben Bedenken. Thomas Groß von der Universität Osnabrück spricht von einem „Debakel, weil es mit dem europäischen Recht nicht vereinbar ist“. Der Bundestag soll mit dem Gesetz 8 Schienen- und 6 Wasserstraßenprojekte per Gesetz genehmigen können, etwa den Ausbau der Bahnstrecken von Hannover nach Berlin und von Niebüll nach Sylt oder die Vertiefung des Nord-Ostsee-Kanals. Bislang entscheiden Behörden, ob ein Projekt verwirklicht wird.

Der Ausbau per Gesetz schränkt jedoch die Klagemöglichkeiten von Bürgern und Verbänden ein. Der Gang vor die Verwaltungsgerichte ist nicht mehr möglich. Verwaltungsrechtler Groß: Betroffene, „die enteignet werden sollen, könnten nur noch Verfassungsbeschwerde einlegen. Solche Fälle sind aber nicht Sache des Bundesverfassungsgerichtes.“

Zweifel an Gesetz

Nach einem Karlsruher Urteil zur Südumfahrung Stendal, einem Teilstück der ICE-Trasse Hannover–Berlin, ist die Zulassung per Gesetz zwar in Einzelfällen zulässig. Doch muss es dafür gute Gründe geben. Damals, in den frühen 1990er Jahren, war das die rasche Herstellung gleich­wertiger Lebensverhältnisse in Deutschland. Ob eine bessere Anbindung von Sylt ähnlich gewichtig ist wie eine zentrale Schienenachse in die Hauptstadt – Thomas Groß hat seine Zweifel.

Die Regierung verweist hingegen auf den Klimaschutz. Auch dieser müsse mit den Grundrechten Betroffener abgewogen werden, meint Groß: „Das eigentliche Ziel besteht darin, die bei vielen Verkehrspolitikern verhassten Klagen der Umweltverbände auszuschalten.“ Das widerspreche EU-Recht.

„Die Klimakrise braucht schnelles Handeln, deshalb wollen auch die Umweltverbände eine beschleunigte Planung“, so Kai Niebert vom Deutschen Naturschutzring. Eingeschränkte Klagerechte seien aber „rechtswidrig“, zudem „unwirksam“. Das eigentliche Problem seien fehlerhafte Unterlagen und fehlendes Personal. Die Verbände wollen nun juristisch gegen das neue Gesetz vorgehen. Gut möglich, dass es für die 14 Projekte vorerst gar nicht vorangeht.

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