Berliner Baupolitik: Der Wind hat sich gedreht

Der Bebauungsplan für den Checkpoint Charlie zeigt: Politik muss nicht vor jedem Investor einknicken.

Nicht schön, aber unübersichtlich: dDer Checkpoint Charlie im Sommer 2019. Foto: dpa

Um kein anderes Bauvorhaben ist in Berlin zuletzt so sehr zwischen öffentlicher Hand und Investor gerungen worden wie um das am Checkpoint Charlie. Der Bebauungsplan für den ehemaligen Grenzübergang, den am Mittwoch der Stadtentwicklungsausschuss des Abgeordnetenhauses durchgewunken hat, hat also eine gewisse Symbolkraft. Vor allem ist er ein Hinweis darauf, dass sich die Gewichte zwischen den einzelnen Akteuren von großen Bauvorhaben verschoben haben könnten.

Gerade bei paradigmatischen Entscheidungen ist manchmal ein kurzer Rückblick hilfreich. Als nach dem Fall der Mauer der Potsdamer Platz aus dem Dornröschenschlaf geweckt werden sollte, hatte der damals rot-grüne Senat einen städtebaulichen Wettbewerb ausgelobt. Dessen Ergebnisse freilich interessierten Daimler und Sony als Investoren nicht die Bohne. Stattdessen bauten sie, wie und was sie wollten. Das Ergebnis ist eine Retortenstadt, die von Finanzjong­leuren seitdem weiter und weiter verkauft wird.

Großer Mist war das also oder klassisches Staatsversagen. Kapital schlägt öffentliche Hand. Wäre das Gleiche damals am Checkpoint Charlie passiert, wo der Senat einem Investor bereits den Teppich ausgerollt hatte, würde es dort nicht anders aussehen als am Potsdamer Platz.

Das war das Hintergrundrauschen am Checkpoint, als im Sommer 2018 ein Brandbrief den Ausschlag gab, noch einmal auf den Deal zu schauen, den der Senat mit dem Investor Trockland in einem Letter of intent festgezurrt hatte. Ein Glück also, dass es einer Allianz von Architekten, Denkmalschützern, Grünen und Linken (die sich gegen den eigenen Kultursenator stellten) gelang, den Deal zu stoppen. Denn wäre er umgesetzt worden, wäre das Erwachen ähnlich böse geworden wie zum Beispiel rund um die Mercedes-Benz-Arena, wo erst zwanzig Jahre nach der Baugenehmigung zu sehen ist, wie öde Investorenstadt sein kann.

Die Drohung, hinzuschmeißen, verfängt nicht mehr

Natürlich ist so ein Versuch, das Blatt noch einmal zu wenden, nie ganz ohne Risiko. Was, wenn Trockland nun hinschmeißt, weil das Hardrock-Hotel nicht gebaut werden darf? Zieht der Senat dann das Vorkaufsrecht und entwickelt das Areal selbst?

Kann passieren, muss aber nicht. Denn anders als etwa bei Großinvestitionen wie Tesla in Brandenburg ist das Interesse an Eins-a-Lagen in der Berliner City groß. Selbst am Pankower Tor blieb Investor Krieger bei der Stange, als Bezirk und Senat mehr Wohnungen verlangten.

Die Drohungen hinzuschmeißen verfangen also nicht mehr so einfach. Und die Politik knickt nicht mehr bei jedem Investor ein. Das ist gut so. Danke für die Lektion.

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Jahrgang 1963, ist Redakteur für Stadtentwicklung der taz. Weitere Schwerpunkte sind Osteuropa und Brandenburg. Zuletzt erschien bei Bebra sein Buch "Morgenland Brandenburg. Zukunft zwischen Spree und Oder". Er koordiniert auch das Onlinedossier "Geschichte im Fluss" der Bundeszentrale für politische Bildung. Uwe Rada lebt in Berlin-Pankow und in Grunow im Schlaubetal.

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