Wallstreet und die Kohle: ÖkoRock?

BlackRock, der größte Vermögensverwalter der Welt, tüncht sich grün. Warum die Klimabewegung jubelt, obwohl die Ankündigung Schlupflöcher hat.

Kohleberg und Windrad

BlackRock will Kohlepapiere abstoßen Foto: Stratenschulte/dpa

BERLIN taz | Larry Fink ist der wahrscheinlich mächtigste Mann der Wallstreet: Er ist Chef von BlackRock, dem größten Finanzverwalter des Globus. Seine Einschätzungen bewegen die Finanzwelt. Und deshalb dürfte das, was er am Dienstag veröffentlichte, erhebliche Auswirkungen haben: „Das Bewusstsein ändert sich rasant, und ich bin überzeugt, dass wir vor einer fundamentalen Umgestaltung der Finanzwelt stehen“, schrieb Fink in einem „CEO-Letter“.

Für ein Unternehmen, das im Auftrag seiner Kund*innen weltweit 7 Billionen Dollar in alles anlegt, was profitabel sein könnte, ist das geradezu eine Neudefinition des Kapitalismus: „Das Bewusstsein“, nicht Quartalsberichte, Jahreszahlen, Technologien und deren Effizienz stehen am Ausgangspunkt eines epochalen Umbruchs.

Fink spricht vom Bewusstsein für die Klimakatastrophe. „Tatsächlich ist der Klimawandel fast immer das wichtigste Thema bei Gesprächen mit unseren Kunden überall auf der Welt“, schreibt Fink. Klimarisiken würden Anleger zwingen, ihre zentralen Annahmen zur modernen Finanzwirtschaft zu überdenken.

Natürlich will BlackRock mit solchen Sätzen auch sein Image aufpolieren – und hat auch kein Problem damit, im Auftrag seiner Kund*innen Kampfbomber oder Fracking zu finanzieren. Unter anderem hat BlackRock laut Welt 59 Milliarden Euro in Deutsche DAX-Konzerne, darunter Siemens, investiert. Im Aufsichtsrat der deutschen Tochter sitzt übrigens ein gewisser Friedrich Merz.

„Klimabewegung hat das Unmögliche geschafft“

Die Klimabewegung wertete Finks Brief am Mittwoch als großen Erfolg. „Man kann jetzt mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass die Klimabewegung das Unmögliche geschafft hat, sie hat die Unbewegbaren bewegt“, schreibt Brett Fleishman. Er leitet für die NGO 350.org die zentrale globale Kampagne, mit der die Klimabewegung die Finanzindustrie zum Umsteuern bewegen will. Das schien vor einigen Jahren noch undenkbar.

Doch nun ziehen immer mehr große private und öffentliche Banken, Versicherer und Vermögensverwalter ihr Geld zumindest aus den schmutzigsten Formen fossiler Energiegewinnung ab. Goldman Sachs will so keine Ölbohrungen in der Arktis mehr finanzieren. Die größte Investitionsbank der Welt, die EIB der EU, steigt sogar komplett aus der Finanzierung fossiler Energie aus. Für die umstrittene Kohlemine des indischen Konzerns Adani in Australien fanden sich fast keine privaten Investoren mehr.

BlackRock ist also getrieben von einer globalen Entwicklung auf allen Ebenen. Politisch prescht vor allem die EU voran, die es bald zur Pflicht macht, Anleger*innen nachhaltige Alternativen anzubieten. Ursula von der Leyens Plan, für ihren Green New Deal in der EU hunderte Milliarden Euro privates Kapital zu heben, ist so unrealistisch nicht: Finks Brief ist nur eine von vielen Stimmen aus der Finanzwelt, nach der Investoren händeringend nach klimaschonenden Geldanlagen suchen, aber zu wenig davon finden.

BlackRock ist alles andere als ein Vorreiter, im Gegenteil. Teilweise ist das, was der Vermögensverwalter als nachhaltig verkauft, reines Greenwashing. Nur ein Beispiel: Bei Anleger*innen sehr beliebt sind derzeit sogenannte ETF-Fonds. Das sind Fonds, die bestimme Aktienindizes wie den DAX oder den Weltaktienindex MSCI World abbilden. Oft werden sie automatisiert gemanagt und verursachen kaum laufende Kosten. Sie sind ein Grund für BlackRocks Aufstieg nach der Finanzkrise 2008.

Das Problem dabei ist, dass Anleger*innen damit alle möglichen Unternehmen kaufen. Deshalb hat BlackRock auch „nachhaltige“ ETFs im Angebot, etwa den iShares MSCI Europe SRI Ucits ETF EUR Acc. Kauft man den, investiert man unter anderem in den Ölkonzern Total oder den Lebensmittelgiganten Unilever. „Wir sind überzeugt, dass Nachhaltigkeit unser neuer Investmentstandard sein sollte“, schreibt Fink. Aber wer sich mit dem Thema beschäftigt weiß, dass der Teufel im Detail steckt.

Jane Fonda und Joaquin Phoenix demonstrieren

So will Blackrock Wertpapiere von Unternehmen, die „mehr als 25 Prozent ihrer Umsätze aus der Kohleproduktion erwirtschaften“, aus seinen aktiven Anlageportfolios eliminieren. Klingt nachhaltig, muss es aber nicht sein. Clevere Unternehmen lagern dann die Kohleproduktion eben in eine Tochterfirma aus. Ein „aktives Anlageportfolio“ heißt außerdem, dass Kohleproduzenten durchaus noch in den passiven ETF-Fonds enthalten sein können. Und ein Energieversorger, der Strom aus Kohle macht, ist eben auch kein Kohleproduzent. BlackRocks Öko-Ankündigung enthält gigantische Schlupflöcher.

Die große US-amerikanische Umweltorganisaiton Sierra Club stellt in einer Analyse von „Larry's Letter“ nüchtern fest: BlackRock ist der weltgrößte Investor in Kohle, Öl, Gas und Waldzerstörung. Die Initiative „Stop the Money Pipeline“, übersetzt ungefähr „Stoppt den Geldfluss“ (für fossile Energien), hat deshalb neben der Großbank JPMorgan Chase und dem Versicherer Liberty Mutual vor allem BlackRock im Visier. Sie umfasst diverse bekannte NGOs, unter anderem demonstrierten vergangene Woche die Schauspieler*innen Jane Fonda, Martin Sheen and Joaquin Phoenix gegen die Unternehmen.

Die New York Times sieht Finks Brief dennoch positiv, vor allem weil immer mehr Unternehmen und Staaten Klimaschutz ernst nehmen. „In diesem Kontext ist Mr. Finks Move ein Wendepunkt – einer, der eine nationale Debatte in Finanzwelt und Politik auslösen kann“, schreibt die Zeitung.

Genau genommen liegt der Ball jetzt im Feld der Politik. Dazu noch mal ein langes Fink-Zitat: „Eine der wichtigsten Fragen, die sich uns in den nächsten Jahren stellen wird, ist die zu Ausmaß und Umfang staatlicher Maßnahmen gegen den Klimawandel. Sie werden ausschlaggebend dafür sein, wie schnell der Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft gelingen kann.“ Unter anderem sei ein höhere CO2-Preis dafür das geeignete Mittel.

Frei übersetzt heißt das: Wenn die Politik handelt, dann verdienen wir eben künftig unser Geld mit Klimaschutz. Wenn nicht, dann eben nicht.

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