Die Wahrheit: Das teuflische Tier

Steckt der Teufel im Detail, also auch dahinter, wenn sich in der Stammkneipe alle mit Nullprozentigem versorgen? Eine Bibelstelle weiß Rat.

Als wir das Café Gum betraten, bot sich uns ein Bild des Grauens. „Ich wusste, dass es so weit kommen würde“, flüsterte Raimund. „Zuerst hören alle mit dem Rauchen auf, und dann das!“ Ich schnupperte an dem Glas, das vor Luis stand. „Apfelsaftschorle“, murmelte ich, „ganz eindeutig.“ – „Cola!“, sagte Raimund und zeigte auf Theos Getränk: „Das ist das Ende.“

„Egal!“, schnaubte ich: „Wir wehren uns bis zur letzten Patrone!“ Dann wandte ich mich an Petris, den Gumwirt. „Zwei Bier!“, sagte ich: „Groß, kalt – wie immer!“

Petris wies auf eine kleine Tafel, auf der „Heute kein Bier, Fass leer“ stand. „Fass leer?“, sagte Raimund: „Warum wechselt es niemand?“ – „Versuch du es!“, kicherte Rudi, der Blödmann, vor dem immerhin ein veritabler Eierlikör stand. Raimund zuckte mit den Schultern. „Okay …“, murmelte er und ging zur Lagertür hinüber.

Als er die Klinke berührte, kam von innen ein Geräusch, das unseren Herzschlag aussetzen ließ. Es war schrill und hörte sich an, als ob man damit Glas schneiden könnte. „Was ist das denn?!“, stotterte Raimund entsetzt. „Irgendein Tier, das sich ins Lager verirrt hat“, vermutete ich. „Nicht irgendein Tier“, flüsterte Theo, „sondern das Tier schlechthin: Das Tier mit dem Namen 666!“

Das heilige Lamm

„Du meinst, die Apokalypse beginnt in Petris’ Lager, und zwischen der Welt und ihrem Untergang befindet sich nur noch eine Feuerschutztür?“ – „Quatsch!“, meinte Rudi, „so hört sich doch kein Lamm an!“ – „Lamm? Wieso Lamm?“ Rudi hielt triumphierend sein Handy hoch und deklamierte: „Offenbarung 8, Vers 1: ‚Und da das Lamm das siebente Siegel auftat, ward eine Stille in dem Himmel.‘ Und dann ist Weltuntergang angesagt: mit Feuer und Sintflut und allem apokalyptischen Drum und Dran.“

„Aber ‚das Tier‘ ist doch ein Drache mit zehn Hörnern und sieben Häuptern und …“ – „Du hast doch einen Vogel, ein Drache mit sieben Köpfen passt niemals in Petris’ Lagerraum.“

Derweil betrachteten Raimund und ich mit gequälten Mienen den Wein im Flaschenregal, den Petris direkt aus seiner attischen Heimat importierte. Für Nichtgriechen war das Zeug eine Mischung aus Sirup und Möbelpolitur. „Nein“, schnaufte Raimund: „Ich brauch ein Bier!“

So wie das Blut der Erde

Er stapfte hinüber zur Lagertür. „Nicht!“, riefen Luis, Theo und Rudi, doch Raimund hatte schon die Tür aufgerissen, und begleitet von einem fürchterlichen Fauchen und Kreischen kam eine Katze mit gesträubtem Fell und irrem Blick herausgeschossen. Sie sah aus, als ob sie an einer Steckdose geleckt hätte. Geschleckt hatte sie jedoch wohl eher am Inhalt einiger zerbrochener Flaschen Griechenwein.

Die Katze kreiselte einige Mal durchs Gum, verpasste Rudi ein paar üble Kratzwunden im Gesicht und entwischte schließlich behände durchs offene Fenster, um irgendwo anders den Weltuntergang vom Zaun zu brechen. Immerhin konnte Petris vorher das Fass wechseln und eine letzte Runde Bier ausgeben.

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Joachim Schulz wurde 1963 an der Nordseeküste geboren und in Regen, Wind und Nebel großgezogen. Er lebt mittlerweile in einer kleinen Welt in der hessischen Provinz, wo unablässig die großen Fragen des Lebens erörtert werden, und ist seit 1996 im Einsatz für Die Wahrheit.

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

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