Europa und der Iran: Letzte Waffe im Atomstreit

Für Teheran wird es jetzt ernst. Die Europäer haben einen Mechanismus ausgelöst, der zur Wiedereinführung der UN-Sanktionen gegen den Iran führen kann.

Sicherheitsbeantinnen im Tschador vor dem Atomkraftwerk Buschehr

Ein Funken Hoffnung: Noch kontrolliert die Atomenergiebehörde alle iranischen Atomaktivitäten Foto: Abedin Taherkenareh/EPA/dpa

BRÜSSEL taz | Eine Woche nach der gefährlichen Eskalation zwischen den USA und dem Iran ist auch die EU auf Konfrontationskurs mit Teheran gegangen. Die drei größten EU-Staaten – Deutschland, Frankreich und Großbritannien – haben am Dienstag ihre schärfste und wohl auch letzte Waffe im Atomstreit gezogen und den sogenannten Streitschlichtungsmechanismus ausgelöst.

Dieser ist Teil des 2015 geschlossenen Atomabkommens mit dem Iran. Er kann aktiviert werden, um vermutete Verstöße zu ahnden. Ohne eine Einigung kann dieser Mechanismus zur Wiedereinführung von UN-Sanktionen führen. Das letzte Wort hat der Weltsicherheitsrat. Dort könnten Frankreich und Großbritannien den Ausschlag geben.

Die USA haben das Atomabkommen bereits einseitig aufgekündigt, was mit zu den jüngsten Spannungen beigetragen hat. Russland und China stehen zwar noch zu dem Deal, der auf eine europäische Initiative zurückgeht, doch allein können sie mögliche UN-Sanktionen nicht verhindern. Für Iran wird es also ernst. Das Atomabkommen steht auf der Kippe.

Die EU gibt die Schuld daran der Regierung in Teheran. Nach der gezielten Tötung des iranischen Generals Qasim Soleimani durch einen US-Drohnenangriff Anfang Januar hat Teheran die „fünfte und letzte Phase“ des Rückzugs aus dem Atomabkommen angekündigt. Allerdings unterwirft sich Iran weiter dem strikten Kontrollregime durch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA).

Borrell wurde kalt erwischt

Zudem hatten sich die EU-Außenminister bei einem Krisentreffen am vergangenen Freitag in Brüssel ausdrücklich zu dem Atomabkommen bekannt. Von einem Start der Streitschlichtung war keine Rede. Deshalb kommt der Schritt der „großen Drei“ nun überraschend. Sogar der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell wurde kalt erwischt.

Die Rettung des Vertrags sei wichtiger denn je, erklärte Borrell am Dienstag in Brüssel. Doch die Erklärung, in der Deutschland, Frankreich und Großbritannien ihre Entscheidung begründen, macht wenig Hoffnung. Das Vorgehen des Irans sei mit dem Abkommen unvereinbar und habe „immer schwerere und unumkehrbare Folgen im Hinblick auf die nukleare Nichtverbreitung“, heißt es darin. Bisher hat die EU das Gegenteil behauptet: dass der Deal wirkt und den Iran am Griff nach der Bombe hindert.

Aufhorchen lässt, dass sich die drei EU-Länder bei Russland und China für die gute Zusammenarbeit der letzten Jahre bedanken. Deutschland, Frankreich und Großbritannien betonen zwar, dass sie weiter am Atomabkommen festhalten – doch es klingt wie ein Adieu.

Der britische Premier Boris Johnson hat sich bereits dafür ausgesprochen, das Abkommen fallen zu lassen und sich dem Kurs von US-Präsident Donald Trump anzuschließen. „Wenn wir es abschaffen, dann lasst es uns ersetzen, und lasst es uns ersetzen mit dem Trump-Deal“, sagte er am Dienstag. „Das wäre ein guter Weg nach vorne.“

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