Urteil zu Afghanistan-Leaks: BGH wohl gegen „Zensur­heber­recht“

Im Fall der „Afghanistan-Papiere“ zeichnet sich nun ein Urteil ab: Ein Erfolg für die Pressefreiheit liegt dabei in der Luft.

Zwei Bundeswehrsoldaten mit Waffen vor einer Transallmaschine in Afghanistan.

Nicht so friedlich, wie es scheint: Bundeswehreinsatz in Afghanistan 2006 Foto: imago

Der Staat kann das Urheberrecht bald nicht mehr missbrauchen, um unliebsame Presseveröffentlichungen zu verhindern. Das zeichnet sich nach der mündlichen Verhandlung des Bundesgerichtshofs (BGH) über die sogenannten Afghanistan-Papiere ab.

Der Funke-Mediengruppe wurden Afghanistan-Berichte der Bundesregierung für die Jahre 2005 bis 2012 zugespielt, die sie auf ihrem Webangebot derwesten.de veröffentlichte. Dagegen klagte die Bundesregierung in zwei Instanzen erfolgreich auf Unterlassung und berief sich dabei auf das Urheberrecht ihrer Mitarbeiter an den Berichten. Nachdem der BGH den Fall 2017 dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt hatte, muss nun der BGH die wohl endgültige Entscheidung treffen.

Der EuGH hatte bezweifelt, ob die Berichte überhaupt urheberrechtlich geschützt sind, weil bei bloßen Sachinformationen eventuell kein schöpferisches Werk vorliegt. Der BGH wird diese Frage aber voraussichtlich offen lassen, da auch die Veröffentlichung eines geschützten Werks durch die Presse wohl erlaubt wäre

Funke-Anwalt Thomas von Plehwe berief sich vor dem BGH auf eine Erlaubnisnorm im Urheberrechtsgesetz, die die Veröffentlichung geschützter Werke zur „Berichterstattung über Tagesereignisse“ erlaubt. Dies sei hier offensichtlich gegeben. „Die Presse versuchte hier aufzudecken, dass der Afghanistan-Krieg verniedlicht wird“, so von Plehwe, „die Presse agiert hier als Wachhund der Öffentlichkeit.“ Dies müsse Vorrang haben vor dem Urheberrecht einzelner Mitarbeiter.

Schutz des Autors

Für die Bundesregierung widersprach Anwalt Peter Baukelmann: „Es gehört zum Urheberrecht, dass ein Autor selbst entscheiden kann, ob er ein Werk veröffentlicht oder nicht.“ Die Preisgabe geschützter Informationen hätte das Leben von deutschen Soldaten gefährden können. Deshalb komme dem Urheberrecht hier größeres Gewicht zu.

Damit wird er beim BGH aber wohl nicht durchkommen. Der Vorsitzende BGH-Richter Thomas Koch betonte, dass der Zweck des Urheberrechts nicht der Schutz von Soldaten in Afghanistan ist. Das Urheberrecht schütze das Persönlichkeitsrecht des Autors und seine wirtschaftlichen Interessen an der Verwertung des Werks.

Der Fall hat große grundsätzliche Bedeutung. Denn die Regierung geht immer wieder gegen Medien vor, indem sie sich auf das Urheberrechts an staatlichen Berichten beruft, etwa bei der Veröffentlichung von Gutachten über das Pestizid Glyphosat. Medienverbände sprachen bereits von einem „Zensur­heberrecht“. Nun liegt aber ein deutlicher Erfolg für die Pressefreiheit in der Luft. Der BGH wird sein Urteil in den kommenden ­Wochen verkünden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.