Impeachment gegen Trump: Kollaps der Machtkontrolle

Das Ergebnis des Amtsenthebungsverfahrens in den USA ist klar. Und leider wird es Trump dabei helfen, demokratische Institutionen einzureißen.

Die Statue George Washingtons vor der Kuppel des Kapitols, von unten fotografiert.

Die Kuppel des Kapitols in Washington, D.C. Foto: Patrick Semansky/ap

BERLIN taz | Dass dieser 18. Dezember als der Tag in die Geschichtsbücher eingehen wird, an dem zum dritten Mal seit Bestehen der USA ein Präsident „impeached“ worden sein wird, also mit dem Ziel seiner Amtsenthebung angeklagt, das ist sicher. Und zwar auch schon bevor um 15 Uhr deutscher Zeit die zunächst auf sechs Stunden angesetzte Debatte im Repräsentantenhaus beginnt. (Livestream: hier)

Genauso sicher scheint auch, dass das eigentliche Verfahren anschließend im Senat beerdigt wird, auch wenn noch nicht ganz so klar ist, wie lange es dort dauert und wie viele Kämpfe über zu ladenden Zeug*innen und Verfahrensfragen Demokratenchef Charles Schumer und Republikanerführer Mitch McConnell austragen werden. Angesichts republikanischer Kontrolle im Senat wird eine Amtsenthebung dort nicht einmal eine einfache Mehrheit finden, geschweige denn die nötigen zwei Drittel der 100 Senator*innen.

Das alles war eigentlich schon von dem Moment an klar, als die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi vor Wochen die ersten Schritte zur Einleitung eines Impeachmentverfahrens ankündigte. Vom Ergebnis her gedacht ist das insofern eine unglaublich langweilige Politshow, die sich in Washington DC entfaltet.

Aber das greift zu kurz, denn es ist beileibe nicht so, dass das Verfahren nichts verändert. Oder bereits verändert hat. Erinnert sich noch jemand an die erschrockenen Debatten nach dem Wahlsieg Donald Trumps, ob die Institutionen der US-Demokratie wohl stark genug wären, um jemanden wie Trump in seine Schranken zu weisen? Der Verlauf des Impeachmentverfahrens, wie auch zuvor schon die Untersuchung des Sonderermittlers Robert Mueller zeigen: Nein, sind sie nicht.

Trump, der Anti-Staatsmann

Trump ist – und genau dafür lieben ihn seine Anhänger*innen – seit seinem Amtsantritt nicht zum Staatsmann geworden. Er agiert als Präsident genauso kriminell und aggressiv wie zuvor als Geschäftsmann. War es in der Geschäftswelt sein Geld, das ihn ein um's andere Mal vor der Verurteilung bewahrte, ist es im Weißen Haus die republikanische Partei und der Propagandasender Fox News.

Noch bei seinem Wahlsieg 2016 hatte Trump fast keine Hausmacht in Washington. Die Demokraten waren sich in nichts so einig wie in der Ablehnung dieses Angebers, der ohne Umstände sexistische, rassistische und offen rechtsextreme Rhetorik in seine Reden einbaute.

Und viele Republikaner akzeptierten ihn zähneknirschend, weil sie unter keinen Umständen die Chance verstreichen lassen wollten, mit gleichzeitiger Kontrolle von Repräsentantenhaus, Senat und Weißem Haus lang gehegte Träume umzusetzen.

Dann kam die Steuerreform mit grandioser Umverteilung von unten nach oben, zwei neue konservative Oberste Richter und fast 150 weitere konservative Bundesrichter, der Austritt aus dem Pariser Klima-Abkommen und die Aufkündigung des Iran-Deals.

Ein realer Grund zur Sorge

Aus republikanischer Sicht ist das eine unglaubliche Erfolgsgeschichte. Wenn man so viel mit einem narzisstischen Rüpel an der Spitze erreichen kann, der sich um Regeln und Gesetze nicht schert und noch nicht einmal an Beliebtheit verliert – go for it.

Und genau das sorgt dafür, dass Trump das auf den berühmten „Checks and Balances“ aufgebaute Institutionengefüge in sich zusammensacken lassen kann. Ja, die Gerichte und die Rechte des Kongresses auf Kontrolle der Exekutive gibt es noch. Sie müssten aber auch wahrgenommen werden. Die Demokraten haben recht, wenn sie den republikanischen Kongressmitgliedern vorwerfen, ihren Amtseid zugunsten der politischen Agenda zu verletzen.

Wenn Trump dann noch die Wahlen im November 2020 gewinnt, wird von der Demokratie in den USA nicht mehr viel übrigbleiben

Dass Trump mit allem durchkommt, verändert das Land. Wer in dieser Auseinandersetzung verliert, verliert richtig. Wenn Trump in Tausenden Tweets, zusammengefasst in seinem Brief an Nancy Pelosi vom Dienstagabend, dem gesamten Verfahren jegliche Legitimität abspricht und Trump-Anhänger*innen staunenden Reporter*innen gleich dutzendweise in die Mikrofone rufen, es werde zum Bürgerkrieg kommen, wenn Trump tatsächlich des Amtes enthoben werden sollte, dann ist das ein realer Grund zur Sorge.

Man kann Diktaturen – dafür gibt es etliche Beispiele – mit demokratischen Mehrheiten beginnen. Dass er das Amtsenthebungsverfahren heil übersteht, wird Trump stärken. Wenn er dann noch die Wahlen im November 2020 gewinnt, wird von der Demokratie in den USA nicht mehr viel übrigbleiben.

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