Die Bahnfahrt der Klimaschützerin: Greta genießt's in vollen Zügen

Ein Tweet zeigt Thunberg im ICE auf dem Boden. Die Bahn entgegnet, sie sei 1. Klasse gefahren. Deutsche rasten aus. Was stimmt?

Menschen drängeln auf einem Bahnsteig in einen ICE

Bei der Bahn kann es schon mal voll werden: gut so! Foto: dpa

BERLIN taz | Die Weltreisende in Sachen Klimaschutz und überfüllte Züge in Deutschland. Kann es ein größeres Aufregerthema geben – eine Woche bevor sich jeder halbwegs klimabewusste Reisende in Deutschland auf den Weg macht, um mit der Bahn die Familie unterm Tannenbaum zu erreichen? Wohl kaum.

Und daher kochte die Empörung hoch, als Greta Thunberg am Samstag ein Foto twitterte, das sie auf dem Boden eines ICE sitzend zeigt. „Mit überfüllten Zügen durch Deutschland reisend“, schrieb sie dazu. Und: „Endlich auf dem Weg nach Hause.“ Also zurück von der Weltklimakonferenz in Madrid nach Schweden. Das sorgte in den sozialen Medien nicht nur für den normalen täglichen Spott über den deutschen Zugverkehr.

Dann aber war die Bahn am Zug. Am Sonntag twitterte sie zurück. Erst bedankte sie sich süffisant bei der 16-Jährigen, dass sie die „Eisenbahner im Kampf gegen den Klimawandel“ unterstütze. Nur um gleich nachzulegen: „Noch schöner wäre es gewesen, wenn Du zusätzlich auch berichtet hättest, wie freundlich und kompetent Du von unserem Team an Deinem Sitzplatz in der Ersten Klasse betreut worden bist.“

Hat Greta Thunberg also gelogen? Saß sie gar nicht auf dem Boden, sondern auf einem gut gepolsterten Sitz im Luxusabteil? Und war das getwitterte Bild nur gestellt?

Nur 9 Minuten Verspätung

Laut Bahn ist Greta Thunberg mit dem ICE 74 gereist. Der war laut zuglink.de am Samstag pünktlich um 10 Uhr in Zürich gestart und kam kurz vor halb acht abends mit nur 9 Minuten Verspätung in Kiel an.

Damit war zumindest mal ein Verdacht aus dem Weg geräumt: dass die Bahn auf Gretas Foto reagiert und der prominenten Reisenden schnell einen Platz in den 1. Klasse verschafft habe. Denn Thunberg twitterte das Bild erst um 22.53 Uhr. Da war der Zug seit Stunden am Zielort.

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Dann präzisierte die Bahn ihre Darstellung. Thunberg, so hieß es nun in einer Mitteilung von Sonntagnachmittag, sei „zwischen Kassel und Hamburg“ betreut worden. Und zwar „freundlich und kompetent“. Vor allem aber: „an ihrem Sitzplatz in der Ersten Klasse“.

Warum aber nur auf diesem Teilabschnitt? Warum nur während dieser drei Stunden bei einer Fahrtzeit von insgesamt neuneinhalb Stunden zwischen Zürich und Kiel?

Sitzplatz ab Göttingen

Aufklärung kam schließlich wiederum von der prominentesten Bahnreisenden des Wochenendes. Ihr Zug von Basel – wo sie offenbar erst zusteigen wollte – sei aus dem Verkehr genommen worden, twitterte Greta Thunberg am Nachmittag. Daher habe sie mit ihrem Team zunächst in zwei Zügen auf dem Boden gesessen. Erst hinter Göttingen habe sie einen Sitzplatz bekommen.

Also doch eine typische Erfahrung, wie sie viele Reisende an begehrten Wochenenden schon machen mussten. Neu für den gemeinen Bahnkunden ist allenfalls, dass das auch die ExtrazahlerInnen mit First-Class-Ticket trifft.

Doch halt, noch etwas ist anders: Greta Thunberg meckert gar nicht über die Bahn. Die Reise in vollen Zügen sei kein Problem, betonte Thunberg. Das habe sie auch nie gesagt. Anders als die Standardtwitterer unter den Reisenden freute sich die Klimaaktivistin sogar darüber, die Reise in vollen Zügen genießen zu dürfen. „Überfüllte Züge sind großartig“, schrieb sie. „Denn das zeigt, dass die Nachfrage nach Zugreisen hoch ist.“

Auch auf den parallel verlaufenden Autobahnen war die Nachfrage am Samstag hoch. Wegen hohen Verkehrsaufkommen lief dort allerdings wenig. Bei Darmstadt waren gegen 14 Uhr die A5 und die A67 nach Unfällen vollständig blockiert. Greta Thunbergs Zug rauschte zu der Zeit fast in Sichtweise daran vorbei Richtung Norden.

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