Gemeinfreiheit und Urheberschaft: Vergessene Schöpfung

Am Anfang jeden Jahres werden die Werke längst verstorbener Autor*innen und Künstler*innen gemeinfrei. Viele von ihnen sind längst vergessen.

Porträt Richard Strauss

Nicht vergessen, aber seit 1. Januar gemeinfrei: Urheberrechtsexperte Richard Strauss Foto: dpa

70 Jahre dauert es nach dem Tod einer Urheberin, bis ihr Werk ohne Gebühren kopiert, aufgeführt oder anderweitig verwertet werden darf. Für die Nachkommen besonders großer oder erfolgreicher Geister ist das eine sieben Jahrzehnte lang funktionierende Gelddruckmaschine. Die weniger bekannten Urheber*innen hingegen stürzt dasselbe System oft in die Obskurität. Welcher Verlag und welches Theater verhandelt schon mühevoll mit irgendwelchen Nachkommen, um die Kunst halb- bis ganz vergessener Toter der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Zu den wenigen tiefer ins Kulturgedächtnis eingegrabenen Autor*innen, die ab diesem Jahr gemeinfrei sind, gehört der Schriftsteller Klaus Mann. Der Sohn Thomas Manns war nach dem Krieg angewidert von der Verdrängung der Schuld für Zerstörung und Massenmord in Deutschland nicht heimisch geworden und setzte seinem Leben in Cannes ein Ende.

Im Westen Deutschlands musste man noch bis Mitte der 1980er Jahre auf eine Ausgabe seines bekanntesten Werkes warten. „Mephisto“ war verboten, nicht aus Urheberrechtsgründen, sondern zum Schutz der Persönlichkeitsrechte des darin nur wenig verschleiert dargestellten Schauspielers Gustav Gründgens. Dessen Kollaboration mit den Nazis war halt Privatsache.

„Kollaboration“ heißt auch ein Stück des britischen Dramatikers Ronald Harwood. Darin wird der Disput zwischen dem Schriftsteller Stefan Zweig und dem Komponisten Richard Strauss referiert. Auch dabei ging es um die Nazis. Strauss, der wie Mann 1949 gestorben ist, hatte sich mit denen arrangiert, bisweilen aber jüdische Kolleg*innen in Schutz genommen – nicht aus Menschenfreundlichkeit, sondern wegen ihrer schöpferischen Leistungen. Die auf Betreiben des Komponisten 1933 gegründete Vorgängerorganisation der GEMA überwies jedoch keine Tantiemen an Juden und Jüdinnen.

Strauss’ Ruf schadete seine Ambivalenz zur Nazizeit kaum, weder vor noch nach dem Kriegsende. Noch zu Lebzeiten wurde der greise Musiker, der zunächst wegen seiner hohen Stellung als Hauptschuldiger des Naziregimes kategorisiert war, rehabilitiert. Zu seinem Erbe gehört neben den nun gemeinfreien Kompositionen auch die unsägliche buchhalterische Trennung von E- und U-Musik.

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