In geschlossene Psychiatrie eingewiesen: Wahnsinn statt Terror

Ein Mann steuerte in der Silvesternacht sein Auto mitten in feiernde Menschen. Ein Gericht schließt eine psychische Erkrankung nicht aus.

Ein Mann hält einen Hefter vor sein Gesicht

Schuldunfähig, aber gefährlich: Andreas N. wird in der geschlossenen Psychiatrie untergebracht Foto: Marcel Kusch/dpa

ESSEN dpa/taz | Es waren dramatische Szenen: In der Silvesternacht steuerte ein Autofahrer seinen Wagen in Bottrop und Essen plötzlich in feiernde Menschengruppen – und wählte Menschen aus, die er für Ausländer hielt. Insgesamt wurden 14 Menschen verletzt. Am Mittwoch ist der 50-jährige Deutsche nun auf unbestimmte Zeit in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen worden. Die Taten selbst werteten die Richter unter anderem als Mordversuch.

Einen terroristischen Hintergrund sah das Essener Landgericht nicht. „Die Geschädigten sind nicht Opfer eines rechtsradikalen Täters geworden“, sagte Richter Simon Assenmacher in der Urteilsbegründung. „Es ist vielmehr die Tat eines schwer erkrankten Menschen.“

Vor knapp einem Jahr war Andreas N. mit seinem Mercedes stundenlang durch das Ruhrgebiet gefahren. Dann plötzlich, mitten in den Silvesterfeierlichkeiten, näherte er sich langsam Gruppen von Menschen, die er für Migranten hielt – und gab Gas.

Vier Mal geschah dies. Etliche Personen wurden dabei verletzt, darunter eine 46-jährige Frau aus Syrien, ihr Mann und ihre 16 und 27 Jahre alten Töchter, eine 29-jährige Afghanin und ihr 4-jähriger Sohn, ein 10-jähriges syrisches Mädchen, ein 34-jähriger Essener mit türkischen Wurzeln.

In der polizeilichen Vernehmung nach seiner Festnahme hatte Andreas N. seinen Hass von der Seele geredet geredet. Über „Kanaken“ hatte er gewettert, die alles bekämen, was sie wollten. Über „die Ausländer“, die hier nicht hergehörten. Er aber habe nun aufgeräumt, sagte der Langzeitarbeitslose.

Sie gehe „derzeit von einem gezielten Anschlag aus, der möglicherweise in der fremdenfeindlichen Einstellung des Fahrers begründet ist“, teilte damals die Polizei mit. Gleichzeit gebe es aber auch Hinweise auf eine psychische Erkrankung.

Von Wahnvorstellungen verfolgt

Der Angeklagte leide seit Jahren unter paranoider Schizophrenie, konstatierte nun das Essener Landgericht. Schon Stunden vor der Tat sei er von Wahnvorstellungen verfolgt worden. Gegen Mitternacht sei er schließlich völlig ohne Grund ins zehn Kilometer entfernte Bottrop und später zurück nach Essen gefahren. „Seine Fahrt richtete sich gezielt gegen Menschen mit ausländischem Aussehen“, so Assenmacher. Dabei habe er den Tod der Opfer billigend in Kauf genommen.

Dennoch könne dem Essener abseits seiner Wahnvorstellungen kein Ausländerhass unterstellt werden. Ausgelöst durch einen akuten Schub seiner paranoiden Schizophrenie, habe er in der Silvesternacht geglaubt, dass ein Anschlag vorbereitet werde oder schon im Gange sei. In dieser Situation habe er sich beauftragt gefühlt, dies zu verhindern. „Er wähnte sich in einer Mission, die Straßen wie mit einem Staubsauger langsam zu reinigen“, sagte Assenmacher.

Insgesamt sind in der Tatnacht 14 Menschen verletzt worden. Eine Frau schwebte sogar in akuter Lebensgefahr, nachdem sie zweimal vom Auto des Esseners überrollt worden war und dabei einen Riss einer Beinschlagader erlitten hatte. Nur dem Glück und dem medizinischen Können der Ärzte sei es zu verdanken gewesen, dass sie nicht verblutete. Die Opfer litten zum Teil bis heute unter den physischen und psychischen Folgen der Tat, sagte der Richter.

Nach Überzeugung des Gerichts war bei Andreas N. die Fähigkeit, das Unrecht einzusehen komplett aufgehoben. Eine klassische Bestrafung komme angesichts der sicher feststehenden Schuldunfähigkeit deshalb nicht in Frage. Wegen seiner Gefährlichkeit müsse der Täter in der geschlossenen Psychiatrie untergebracht werden.

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