Renée Zellweger spielt Judy Garland: Als wäre sie gerade gestorben

Das Biopic „Judy“ gibt der Sängerin und Schauspielerin Judy Garland etwas sehr Wertvolles zurück: die Würde eines eigenen, ganz speziellen Schicksals.

Renée Zellweger als Judy Garland singt groß im Bild. Im Hintergrund ist die Big Band zu erahnen

Judy (Renée Zellweger) geschwächt und doch stark bei ihrem Auftritt im „Talk-of-the-Town“-Club Foto: Entertainment One

Für alle Nicht-Fans ist ihr Leben nur ein Klischee. Judy Garland – einer der Kinderstars, die am frühen Ruhm scheiterten. Deren erwachsenes Leben von Drogenabhängigkeit und Skandalen geprägt war, der letzte darunter der eigene, im Alter von 47 Jahren viel zu früh erfolgte Tod. Von dem sich auch heute, 50 Jahre danach, nicht sagen lässt, ob er Selbsttötung oder Unfall oder eine verwickelte Mischung aus beidem war. Ein typisches Hollywood-Frauenleben, dessen letzte Demütigung darin besteht, dass man ihr Beispiel heute als eines von vielen betrachtet, wo sie doch zu ihrer Zeit einzigartig war.

Rupert Goolds Biopic „Judy“ setzt mit einer zweifachen Judy in Not ein. Zuerst sieht man sie als 16-Jährige auf dem Set vom „Zauberer von Oz“, wo ein eiskaltes Business weder auf das psychische noch das physische Wohlbefinden von Jugendlichen Rücksicht nimmt. Dann beginnt der eigentliche Film mit der 46-jährigen Sängerin, die mit ihren zwei Kindern im Schlepptau von einer langen Tour nach Hause zurückkehrt und dort entdecken muss, dass man ihr das Apartment wegen noch ausstehender Mietzahlungen gekündigt hat.

An der Routiniertheit, mit der sie die Situation durch eine Mischung aus hartnäckigem Leugnen und mechanischem Durchziehen eines Notfallprogramms bewältigt, merkt man, dass das alles nicht zum ersten Mal passiert. Als auch noch der Exmann mit dem Entzug des Sorgerechts droht, muss Judy das ungeliebte Angebot einer England-Tour annehmen, um finanziell wieder auf die Beine zu kommen.

Garlands fünfwöchiges Londoner Gastspiel

Das Geschehen rund um Garlands fünfwöchiges Gastspiel im Londoner „Talk of the Town“-Club im Frühjahr 1969 bildet das Herzstück des Films. Erzählt wird sowohl von den Demütigungen und Niederlagen als auch von den letzten Triumphen einer von Alkohol- und Tablettenabhängigkeit gezeichneten Frau, deren charismatische Ausstrahlung und großes Stimmtalent durch alle Selbstzerstörungsakte immer noch durchscheinen.

Etwas parabelhaft-mechanisch bringt der Film in seinen Nebenfiguren all das auf den Punkt, was ihr das Leben so schwermacht: die skrupellose Ausbeutung durch wechselnde Impresarios und wechselnde Liebhaber, die oft feige Zurückhaltung von Assistenten und Ärzten, die sich nicht mit dem Star anlegen wollen, und das nur schwer zu ertragende Wechselbad zwischen Vergöttert- und Verteufeltwerden.

In Flashbacks kehrt der Film in ihre Zeit als Kinderstar zurück und führt dabei durchaus zeitgemäß die Brutalität des Betriebs vor Augen, der über Mädchenkörper mit Aufputschmitteln, Diätmaßnahmen und Herabsetzungen verfügte. Auch die innige, verständnissinnige Verehrung durch das schwule Publikum der 60er Jahre, die der Film episodenhaft illustriert, können die Folgen dieses Traumas nicht lindern.

Zellweger bringt die Herzen zum Schmelzen

Als mehr oder weniger klassisches Biopic liefert „Judy“ wenig Neues. Aber der Film lohnt schon deshalb, weil er Judy Garland die Würde eines eigenen, ganz speziellen Schicksals zurückgibt. Dass ihm das gelingt, liegt zuvorderst an Renée Zellwegers Auftritt, der eine wahrhaft transformierende Qualität hat: Zellweger bringt die Herzen der Zuschauer zum Schmelzen.

„Judy“. Regie: Rupert Goold. Mit Renée Zellweger, Jessie Buckley u. a. Großbritannien/USA 2019, 118 Minuten

Wobei sie Garland nicht bloß imitiert – Frisur und Make-up sorgen zwar für eine maximale Annäherung, aber darunter bleibt Zellweger stets als sie selbst erkennbar. Sie singt auch selbst – und trifft den Ton des Nicht-mehr-Perfekten dabei so genau, dass die nachgespielten Club-Performances zu vibrierend-emotionalen Höhepunkten werden.

Zellweger spielt Garland nicht nur als hilflose Suchtkranke, sondern bringt auch die Reste der Stärken zum Vorschein, die zu einer Karriere wie der ihren dazugehören: ein trotziger Glauben an Romantik bei gleichzeitiger großer Härte gegen sich selbst. Am Ende trauert man um diese einzigartige Frau, als wäre sie gerade erst gestorben.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.