Vermieter-Demo gegen Mietendeckel: Friede den Palästen!

Über 1.000 Menschen haben auf einer Demo der Eigentümer gegen den Mietendeckel demonstriert. Gegendemonstrant*innen waren auch da.

Demo gegen den Mietendeckel: Menschen demonstrieren bei einer Vermieter-Demo

VermieterInnen demonstrieren in Berlin gegen den Mietendeckel Foto: Christian Mang

BERLIN taz | Kirmestechno und Mehrzweckhallen-Musik schallt aus großen Boxen. Noch eingeschweißte gelbe Westen und Plastik-Klatsch-Hände aus großen Kartons werden unter den Demonstrierenden verteilt. Halbherzig klappern diese mit ihnen im Vier-Viertel-Takt der Auto-Scooter-Musik, einige blasen in Trillerpfeifen. Ein Mann auf einer Bühne ruft: „Der Deckel gehört auf den Kochtopf und nicht auf die Mieten!“

So also sieht es aus, wenn die Immobilien-Lobby zur Demo aufruft. Vor Ort sind viele Handwerker*innen, die den Vormittag frei bekommen haben, Eigentümer, Vermieter und Chefs aus der Baubranche. Einer trägt einen Vonovia-Handwerker-Anzug, ein anderer ist mit einem Regenschirm von Eigentümerverband Haus und Grund gekommen.

1.000 bis 1.400 Leute haben sich laut Polizei am Montagvormittag versammelt, um gegen den vom rot-rot-grünen Berliner Senat beschlossenen Mietendeckel zu protestieren. Der Senat will, flankiert von Baumaßnahmen, den Wohnraum in der Stadt regulieren, um die Wohnungsnot zu mildern – auch und gerade nach erheblichen Mietsteigerungen durch Vermieter*innen in den vergangenen zehn Jahren.

Aus Sicht vieler Mieter*innen ist das eine überfällige Maßnahme – viele sind angesichts der Wohnungsnot in den vergangenen Jahren immer wieder auf die Straße gegangen. Über 200 zivilgesellschaftliche Initiativen und Bündnisse hatten Mieten-Großdemos mit über 20.000 Menschen und mehr gegen „Mietenwahnsinn“ auf die Straße gebracht.

An diesem sonnigen, aber kühlen Montagvormittag auf dem Platz des 18. März vor dem Brandenburger Tor verläuft sich die Masse eher. Richtig voll wirkt es nicht. Nach einer Sternfahrt in rund 300 Fahrzeugen versammeln sich die Demonstranten vor dem Brandenburger Tor. Aufgerufen hatten dazu aus der Immobilien-Wirtschaft stammende Initiativen und Verbände: Haus und Grund etwa, aber auch die PR-Klitsche „Mut Stadt Wut“ sowie das Lobby-Bündnis „Neue Wege für Berlin“.

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Nicht wenige, schick gekleidete Gegendemonstrant*innen haben sich unter die Vermieter-Demo gemischt. Sie tragen Schilder mit Sprüchen wie „Eure Armut kotzt uns an“, „die Häuser denen, die sie kaufen“, „zieht doch nach Brandenburg“ und „mehr Kapitalismus wagen“.

Teilweise ist der Übergang von ernst gemeinten Demo-Sprüchen zu Bullshit fließend: Auf einem Schild ist das nach dem Zweiten Weltkrieg zerbombte Berlin zu sehen mit dem Spruch: „Berlin nach dem Mietendeckel“. Auf einem anderen steht neben einem Bild von Kim Jong Un: „Mietendeckel stoppen – alle Wege der Regulierung führen nach Pjöngjang“. Wenig später ruft das tatsächlich auch noch einer der Redner von der Demo-Bühne: „Der Weg nach Pjöngjang ist nichts für Berlin.“

Gegendemonstrant*innen mischten sich unter die Demo

Insgesamt inszeniert sich die Immo-Lobby als nah dran an vermeintlich kleinen Leuten. Eine Kleinvermieterin, deren Investitionen in ihr Wohnhaus in Berlin-Mitte sich nun angeblich nicht mehr lohnen, darf ihr Leid klagen. Unter den Tisch fällt dabei, dass Investitionen mit Renditeerwartungen in Wohnraum natürlich auch Spekulationen sind und dass kleine Leute in der Regel keine Mehrfamilienhäuser in Berlin-Mitte besitzen. Ein anderer Vermieter, der nach eigener Aussage bei der Lufthansa arbeitet, sagt: „Ich habe mir damals per Zwangsversteigerung Wohnraum gekauft.“ Eine seiner Wohnungen in Prenzlauer Berg wolle er mit dem Mietendeckel künftig dann nicht mehr günstig an Studierende vermieten. Ein paar Sätze später sagt er: „Der Mietendeckel ist asozial.“

Zu Wort kommen natürlich auch die Chefs: Klaus-Dieter Müller etwa, Stuckateur und Präsident der Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg. Er und andere Redner auf der Bühne wiederholen mantraartig: „Der Mietendeckel baut keine Wohnungen“ – dass die geplante Deckelung für Neubau hingegen nicht gilt, notwendige Sanierungen weiter möglich sein und hauptsächlich Wucherpreise gedeckelt werden sollen, wird geflissentlich verschwiegen. Applaus für dieses Agenda-Setting gibt es auch von Politikern der CDU und FDP, die der Kundgebung beiwohnen – Sebastian Czaja, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus, ist gekommen, ebenso der Berliner CDU-Chef Kai Wegner.

Immer wieder unterbrechen allerdings Gegendemonstrant*innen die Redner auf der Bühne: „Wenn ihr alle so sozial seid, warum nehmt ihr dann so hohe Mieten?“, ruft einer, nachdem ein Vermieter auf der Bühne vor dem drohenden sozialistischen Umsturz gewarnt hat. Eine Frau im Pelz, der hoffentlich aus Kunststoff ist, fängt daraufhin an, ihn zu bepöbeln. Sie ruft: „Wir wollen keinen Sozialismus! Sie haben doch keinen Schimmer, wie so ein Mietpreis sich zusammensetzt. Zieh eine Mauer hoch, dann bist du gut aufgehoben! So ein Penner.“

Demonstration mit Schildern, auf einem steht: Wenns Miete zu hoch is, sollns halt im Hotel wohnen.

Die Grenzen zwischen ernstgemeint und Bullshit waren fließend Foto: Christian Mang

Wenn man sich in der Menge vor dem Brandenburger Tor umschaut, sind dem Demo-Aufruf einige gut betuchte Eigentümer*innen und wohl zum größten Teil Handwerker*innen gefolgt. Viele Betriebe und Baufirmen haben ihnen heute Vormittag offenbar freigegeben. Ein Maler-Lehrling sagt, dass er mit seinem Chef hier sei, heute Nachmittag aber wieder ranmüsse: „Schließlich muss ich ja Geld verdienen.“

Eine andere Frau sammelt Unterschriften gegen den Mietendeckel. Was auf den ersten Blick wie normales Demo-Engagement aussieht, ist dabei wohl aber ein bezahlter Promo-Job. Das Bündnis Neue Wege für Berlin, das zur Demo aufrief, sucht derzeit Leute, die für 13 Euro die Stunde Unterschriften für ihr Anliegen sammelt, wie aus einer auf Twitter kursierenden Stellenanzeige hervorgeht. 100.000 Unterschriften sind das Ziel. Heute und hier sind die jedenfalls nicht zusammengekommen.

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