Kein Grundstück für „Lesshomes“: Minihäuser ohne Bleibe

Mit einem „Lesshome“ bekommen Obdachlose 2 Quadratmeter Wohnraum – als Zwischenlösung. Die Aufstellung scheiterte an Bedenken von Anrainern.

Passt: Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) in einem „Lesshome“ Foto: Orlando El Mondry

Ein Leben auf zwei Quadratmetern, in einem Handwagen zum Hinterherziehen: Drei dieser Minimalwohnungen für Obdachlose möchte die Sozialgenossenschaft Karuna noch vor Weihnachten aufstellen. Die Menschen, die sie nutzen wollen, warten schon darauf, sagt Karuna-Vorstand Jörg Richert. Doch nun ist der private Eigentümer einer zentral gelegenen Freifläche abgesprungen und Karuna wieder auf der Suche.

Es ist nicht das erste Mal, dass sogenannte Tiny Houses („winzige Häuser“), eigentlich entwickelt von Liebhaber:innen minimalistischer Wohnkultur, als Alternative zur Straße für Berliner Obdachlose gehandelt werden. Mehrere Dutzend Behausungen mit rund sechs Quadratmetern Fläche stehen bereits in Berlin, größtenteils gebaut vom Kölner Verein Little Homes.

Das Problem dabei ist immer wieder das Ordnungsrecht: Im April dieses Jahres wurden auf dem Kreuzberger Mariannenplatz zwei dieser Tiny Houses, deren Bewohner ebenfalls von Karuna betreut wurden, im Vorfeld eines Straßenfestes geräumt und dabei zerstört. Doch bei Karuna hält man an der Idee fest: Mehrere Hundert Tiny Houses will Richert in den nächsten Jahren in Berlin aufstellen.

„Die Einrichtungen der Kältehilfe sind völlig in Ordnung“, sagt Jörg Richert. „Aber für viele Menschen, die auf der Straße leben, sind sie nicht das Richtige.“ Zu viele Menschen mit komplexen Problemlagen kommen auf engem Raum zusammen, streng sind die Regeln in Sachen Drogenkonsum, Nutzungszeiten und Begleitung durch Hunde.

Die Minihäuschen, für die Karuna jetzt einen Platz sucht, seien eine Antwort auf dieses Problem, auf die Lücke zwischen Parkbank und Obdachloseneinrichtung, die in vielerlei Hinsicht von anderen Tiny Houses abweichen, so Richert. Konzipiert und gebaut werden sie von Wolfgang Goergens, einem Unternehmer, der sich zuvor eher einen Namen mit Luxushotels für Hunde machte – eine Geschäftsidee, die er inzwischen verkauft hat. Dadurch finanziell unabhängig, widmet er sich nun auf einem Garagengelände vor den Toren Berlins dem Bau seiner „Lesshomes“.

Die sind erst einmal viel kleiner als die bisherigen Tiny Houses: Nur zwei Quadratmeter misst die Grundfläche, nicht viel größer als ein Singlebett. Stehen kann man darin nicht. Dafür ist das als Handwagen konzipierte Häuschen tatsächlich mobil und kann – beispielsweise auf Drängen des Ordnungsamts – von einem Ort zum nächsten gezogen werden.

Sitzdusche und Spendenbox

Zum anderen ist es nicht nur mit einem Bett ausgestattet, sondern „mit allem, was die normale Infrastruktur eines Lebens ausmacht“, sagt Goergens. Konkret heißt das: Gaskartuschenkocher, Kühlschrank mit Langzeitakkus, kleiner Fernseher, Kaffeekocher, Handwaschmaschine, Sitzdusche, Trockentoilette, Schränke. Sogar ein Briefkasten und ein Fach für Spenden aus der Nachbarschaft sind an der Außenwand angebracht. Jeder Winkel des Handwagens wird ausgenutzt, ein doppelter Boden kann über das Bett geklappt werden. Und weil sie kurz vor Weihnachten aufgestellt werden sollen, sollen sie auch mit einem kleinen beleuchtbaren Tannenbaum ausgestattet werden.

Ihm sei ganz klar, dass der Handwagen kein Ersatz für eine Wohnung sei, sagt Goergens. „Niemand kann dauerhaft auf zwei Quadratmetern leben.“ Die Obdachlosen bekämen den Wagen geschenkt mit der einzigen Auflage, ihn weiterzugeben, sobald sie eine Unterkunft finden. Die Materialkosten für einen Wagen lägen bei 2.500 Euro, refinanzieren will sie Goergens mittelfristig über Werbung an den zwei Seitenflächen.

Die Menschen, die das Angebot nutzen, soll wiederum Karuna aussuchen und betreuen. Und so sollen in die ersten drei Wagen Männer aus dem Obdachlosencamp an der Rummelsburger Bucht einziehen, für die die fehlende Privatsphäre, die besondere Gruppendynamik mit 160 Obdachlosen in einem Zeltlager, zunehmend unerträglich geworden seien, erzählt Richert.

Die Wagen sollen auf Flächen abgestellt werden, die nach den Vorstellungen von Richert kein reiner Ort der Obdachlosigkeit mit all den Anschluss- und Akzeptanzproblemen ist. Die Idee von Karuna sind „Common Places“, Orte der Gemeinschaft, auf denen Urban Gardening und Atelier-Container für Künstler:innen genauso Platz finden sollen wie ein Café als Begegnungsstätte und eben auch drei oder vier der Tiny Homes. Dafür, so Richert, arbeite er auch mit den Atelier- und Urban-Gardening-Beauftragten des Senats zusammen. Denkbar seien Zwischen- oder dauerhafte Nutzungen auf (noch) nicht bebauten privaten oder landeseigenen Flächen – am liebsten natürlich zentral gelegen.

Am Ende doch abgesprungen

Genau eine solche Fläche hatte Richert für den Modellversuch, der noch vor Weihnachten starten sollte, gefunden. Die für den 23. Dezember geplante Aufstellung der Wagen war vom Eigentümer, einem privaten Großinvestor, befürwortet worden, ein benachbartes Café zeigte sich höchst solidarisch, erzählt Richert, der die Namen der Beteiligten nicht öffentlich machen möchte. Dann habe es aber große Vorbehalte bei den Mitarbeiter:innen eines angrenzenden Geschäfts gegeben – und der Eigentümer zog zurück.

„Ich bin sicher, die Common Places werden Orte des Gelingens, für positive Geschichten, die wir erzählen können, für nachbarschaftliche Solidarität“, sagt Richert. Aber dafür brauche es dringend einen Platz zum Ausprobieren.

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