Buzzard-App für Meinungspluralismus: Rote Linien im Diskurs

Die Plattform Buzzard, die zu zivilisierten Debatten in Deutschland beitragen will, verlinkt rechte Blogs. Den Diskurs entgiftet man so nicht.

Ein Thema, mehrere Meinungen: Buzzard will sie alle abbilden. Hier ein Screenshot aus dem Prototypen.

Buzzard will alle Seiten abbilden. Bisher auch rechtsradikale und verschwörungsideologische Screenshot: Ikon Images/imago images

Wer Geld sammeln will, muss einen Nerv treffen. Buzzard hat das geschafft. Das Leipziger Start-up bekam mit Binsen wie der, dass der Diskurs vergiftet ist, binnen einem Monat über 150.000 Euro im Crowdfunding zusammen. Mit dem Geld kann nun eine App realisiert werden, die nicht weniger tun soll, als zu einem „Diskurswandel“ beizutragen. Es geht um die Art und Weise, wie die Gesellschaft miteinander um Meinungen ringt.

Die Idee: In der Buzzard-App sollen jeden Tag die Top-Themen des Tages aus dem gesamten Meinungsspektrum von links bis rechts zusammengestellt werden. Dabei sollen neben etablierten journalistischen Medien auch kleinere Meinungs- und Blogportale berücksichtigt werden, „die unsere Medienlandschaft ergänzen“.

Wie das in der Praxis aussehen könnte, kann man an einem Prototyp nachvollziehen, mit dem seit 2017 getestet wird, wie Debatten abgebildet werden könnten. Zu den Debatten formulierte Buzzard eine Leitfrage und lieferte zwei strukturierende redaktionelle Beiträge, die eine Übersicht über die Argumente und die Fakten zur Debatte geben. Zusätzlich wurden drei „Pro“-Beiträge und drei „Contra“-Beiträge sowie drei Beiträge, mit denen der Nutzer seinen „Horizont erweitern“ könne, aus unterschiedlichen Medien zusammengetragen. Wer das ganze Bild sehen will, muss also elf Beiträge lesen, von denen Buzzard zwei geschrieben und neun kuratiert hat.

Tatsächlich scheint es so möglich zu sein, einen breiten Überblick zu einer spezifischen Debatte zu bekommen. Telefonisch teilt Dario Nassal, einer der Geschäftsführer von Buzzard, mit, dass die App am Ende ganz anders aussehen werde. Aber man bekommt schon einmal einen Eindruck davon, was einen erwartet.

Rechtsradikale grün, Demokraten rot

Und dieser Eindruck kommt nicht bei allen gut an. Das liegt primär daran, auf welche Quellen Buzzard zurückgreift. So werden in dem Prototyp auch Debattenbeiträge von rechtsradikalen und verschwörungsideologischen Blogs verlinkt. Auch russische Staatspropaganda gehört zum abgebildeten Meinungsspektrum.

Zwei Artikel sind gegeneinander gestellt. Links ein Artikel von ria.ru, grün umrandet.

So sieht es im Prototypen aus Screenshot: Buzzard

Unter anderem werden Beiträge von den rechtsradikalen Webseiten PI News und Journalistenwatch im Buzzard-Prototyp gefunden. Der Journalist Silvio Duwe kritisiert auf Twitter, dass Buzzard dafür sorge, dass „Reichweite von Falschnachrichten, Propaganda, Verschwörunggsideologie, Antisemitismus und Rassismus“ zunehme.

Die Autorin Jasmin Schreiber kritisiert die Art und Weise, wie Fragen gestellt und die Antworten dargestellt werden. Ein Beispiel sei die von Buzzard gestellte Frage „Wäre Marine Le Pen eine gute französische Präsidentin?“, die dazu führt, dass die rechtsradikale Position auf dem Blog PI News in grüner Farbe für Zustimmung angezeigt wird, während die demokratischen Positionen mit roter Farbe gebrandmarkt werden.

Berechtigte Kritik

„Weiterhin sollte man sich wirklich fragen, wie gut es in diesem aufgehetzten Klima ist, dass ein Onlinedienst den Journalist*innen den ‚linksgrünversifft‘ Stempel aufdrückt und sie politisch links oder rechts einordnet“, meint Schreiber. Mittlerweile haben sich frühere Unterstützer*innen öffentlich von dem Start-up distanziert und andere, die Buzzard weiterhin unterstützen, fordern eine Auseinandersetzung mit den aufgeworfenen Fragen.

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Geschäftsführer Nassal bezeichnet die Kritik im Gespräch mit der taz als berechtigt. Man habe während der Testphase versucht, „rechte Narrative abzubilden und kritisch einzubetten“. Dabei sei die Einordnung „nicht gut genug“ gewesen und man habe „Fehler gemacht“. Buzzard will sich Anfang kommenden Jahres erstmals mit seinem journalistischen Beirat darüber beraten, wie man mit problematischen Quellen umgehen werde. „Es ist nicht unser Ziel, Rechten eine Plattform zu geben.“ Man werde daher darüber beraten, wie man einzelne Quellen transparent ausschließen könne. „Wir müssen die roten Linien klarer ziehen.“

Tatsächlich dürfte die Frage nach den roten Linie eine der entscheidendsten für den angestrebten Diskurswandel sein. Bis die App fertig entwickelt ist und sich das Buzzard-Team auf einen Umgang mit den Problemen verständigt hat, unterstreichen die rechten Quellen im Prototyp die anfängliche Analyse: Der Diskurs ist vergiftet. Und das Abbilden von rechtsradikalen Positionen ist dabei kein akzeptiertes Gegengift.

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