Ernährungsstrategie: Berlin isst künftig besser

Verbraucherschutz-Senator Behrendt stellt die Berliner Ernährungsstrategie vor. Kritik gibt es an zu geringer Bürgerbeteiligung.

Gesünder essen sollen viele Berliner*innen in Zukunft Foto: dpa

Nach langer Vorbereitung hat der Senat jetzt die sogenannte Ernährungsstrategie beschlossen, die mehr gesunde Mahlzeiten auf Berliner Teller bringen will. Als Verbraucherschutz-Senator Dirk Behrendt am Mittwoch den „Ak­tionsplan“ für die Strategie vorstellte, konnte er sogar ein besonderes Finanz-Bonbon dazulegen.

Für das Grundschulessen, das auf mehr biologisch angebaute Lebensmittel umgestellt werden soll, gibt es 2021 einen besonderen Schluck aus der Pulle: Der Senatszuschuss steigt dann von 3,8 auf 12,8 Millionen Euro, damit die Schul-Caterer den Bio-Anteil auf 50 Prozent steigern können. Einschränkung Behrendt: „Das Abgeordnetenhaus muss am Donnerstag erst noch seine Zustimmung geben.“

Insgesamt acht Handlungsfelder umfasst die Ernährungsstrategie. Sie reichen von der Gemeinschaftsverpflegung in den öffentlichen Kantinen, weniger Vergeudung von Lebensmitteln, Ernährungsbildung in der Schule bis hin zur wirtschaftlichen Wertschöpfung in der Region und Food-Kooperationen in den Kiezen.

„Diese Strategie für mehr regionale, mehr saisonale und mehr biologische Lebensmittel bildet die Grundlage für eine nachhaltige und zukunftsfähige Ernährung aller Berlinerinnen und Berliner“, erklärte Behrendt. In seinem Etat stehen dafür jährlich 1,5 Millionen Euro zur Verfügung. Die Kosten für die Schulessen ressortieren bei Bildungssenatorin Scheeres.

Bundesweite Spitze

Weil diese starke Förderung im Benehmen mit dem Finanzsenator erst gezimmert werden musste, habe sich die Verabschiedung der Ernährungsstrategie in die Länge gezogen, erklärte Behrendt gestern vor Journalisten. Wenn die „Biologisierung“ des Grundschulessens von einem gegenwärtigen Anteil von 15 Prozent über 30 Prozent 2020 und ab dem Sommer 2021 auf 50 Prozent steigt, wäre schon ein gutes Stück des Weges zum Kopenhagen-Ziel von 90 Prozent nachhaltig produzierter Lebensmittel erreicht. Nach der Kostenfreiheit des Schul­essens würde sich Berlin mit der Essensqualität erneut an die bundesweite Spitze bewegen.

Die Umgestaltung des öffentlichen Kantinenwesens nach dem Vorbild des Kopenhagener „House of Food“ hatte vor zwei Monaten mit dem Start des Projekts „Kantine Zukunft Berlin“ begonnen (taz berichtete). Dies wird absehbar in nächster Zeit die meisten Kapazitäten des Aktionsplanes binden.

Überraschend schwach sind die Überlegungen zur wirtschaftlichen Ernährungswende ausgefallen. „Berlin ist ein attraktiver Absatzmarkt für ökologisch, nachhaltig und regional produzierte Produkte aus dem Umland“, heißt es in der Strategie. „Daher sollen die vorhandenen Marktbeziehungen mit dem Land Brandenburg ausgebaut werden.“

Nur wie konkret, und gerade jetzt, wo das Potsdamer Agrarministerium an seine Parteifreunde gegangen ist, das musste Grünen-Senator Behrendt offenlassen. Sein Brandenburger Kollege habe das Recht, sich zunächst in sein Amt einzufinden. Gespräche über eine grüne Agrar-Achse Berlin–Potsdam seien derzeit noch nicht geplant.

Kritik vom Ernährungsrat

Überraschend kritisch meldete sich der aus Vertretern der Zivilgesellschaft zusammengesetzte Ernährungsrat Berlin zum Senatskonzept zu Wort. „Wassersuppe statt Nährwert“ überschrieb das Gremium, das vor Jahren den Prozess der Berliner Ernährungspolitik ins Rollen gebracht hatte, seine Stellungnahme.

„Wassersuppe statt Nährwert“ überschrieb das Gremium seine Stellungnahme

Den Senatsplänen „fehlt der strategische Weitblick“. Kritisiert wird vor allem zweierlei: Das Strategiepapier (tatsächlich umfasst der Ak­tionsplan lediglich 15 Seiten) sei zu unpräzise. Es mangele an „Mut zu einer ambitio­nierten und konkreten Roadmap mit klarer ernährungspolitischer Zielstellung“ sowie „daran gekoppelten Meilensteinen und Ressourcen (Personal, Budget)“ – „Nur das verdient dann wirklich die Bezeichnung Ernährungsstrategie“, so der Ernährungsrat.

Außerdem sei die Zivilgesellschaft in jüngerer Zeit zu wenig in die Abläufe eingebunden gewesen. Dies müsse sich künftig wieder ändern. Denn nach Überzeugung des Ernährungsrates kann die „klimagerechte Ernährungswende nur gelingen, wenn vielfältiges Wissen und unterschiedliche Fähigkeiten in einen dynamischen Prozess einfließen und es gelingt, die Berliner Bevölkerung aktiv zu beteiligen“. Dafür brauche es „unterstützende Strukturen“ mit Zielrichtung „Ernährungsdemokratie“, etwa in Form eines „Bürger*innenrats nach erprobtem Vorbild“.

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