Fridays for Future trifft Braunkohlefans: Einfach mal miteinander reden

In Cottbus haben sich sächsische FFF-Ortsgruppen und der Verein Pro Lausitzer Braunkohle getroffen. Konnte das gut gehen?

braunkohlebagger im tagebau vor blauem Himmel

Dass in der Lausitz etwas passieren muss, ist allen klar Foto: dpa

COTTBUS taz | Kevin Bauch ist nervös. Zusammen mit Florian Keller und zwei weiteren Aktivistinnen von Fridays for Future steht der Dresdner an diesem Dienstagabend vor dem Audimax der Technischen Universität Cottbus. Ob sie hier das Richtige tun, da sind sich die vier noch unsicher. „Wir haben Bedenken. Aber wir wollen es trotzdem versuchen. Es ist ein Experiment“, sagt Bauch.

„Gegen eine weitere Polarisierung und Spaltung der Gesellschaft“ heißt die Veranstaltung, zu der der Verein Pro Lausitzer Braunkohle e.V. gemeinsam mit Fridays for Future Ortsgruppen aus Sachsen eingeladen hatten. Gemeinsam. Wolfgang Rupieper, Vorstandsvorsitzender von Pro Lausitzer Braunkohle e.V., war Ende Oktober auf dem Ostdeutschen Energieforum auf Bauch zugegangen und hatte ihn gefragt, ob man nicht zusammen eine Veranstaltung planen wolle. Letzte Woche setzten sie sich zusammen, an diesem Dienstag solle ein „Impuls der Annäherung“ gegeben werden. Man wolle versuchen, die jeweils andere Sichtweise zu verstehen.

Ein gewagter Versuchsaufbau: Man nehme zwei Vertreter der bekanntesten Klimaschutzbewegung des Landes, der eine 23, der andere 18 Jahre jung, und setze sie auf ein Podium mit zwei „Kumpels“: Lars Katzmarek, 27, alias Rapper „Crease“, und Sebastian Lachmann, 34. Beide angestellt beim Lausitzer Braunkohleunternehmen LEAG, beide Mitglied in der Gewerkschaft IG Bergbau, Chemie und Energie. Sie seien direkt vom Verein Pro Lausitzer Braunkohle gefragt worden, mitzumachen. Mitglieder sind sie nicht.

Dazu im Hörsaal rund 200 Interessierte, überwiegend verbandelt mit der Braunkohle, weil das nun mal viele sind hier in Cottbus. Ein Heimspiel für die Kumpel.

Streitpunkt: Was geht eigentlich?

Die Stimmung ist vorbelastet, gerade diese Woche, als der Klimabericht der Bundesregierung auf Folgen der Erwärmung hinweist und am Wochenende in der Region Proteste von Ende Gelände und Fridays for Future stattfinden werden. „Höhle des Löwen“ nennt ein Besucher den Hörsaal. Kann hier mehr entstehen als verhärtete Fronten?

Anfangs noch verhalten, tauschen beide Seiten ihre Argumente aus, sind dabei immer wieder auf die Fragen von Moderatorin angewiesen, damit das Gespräch nicht zum Erliegen kommt. Doch schnell tasten sie sich vorwärts, diskutieren über Ängste, Visionen, Speicherkapazitäten und die Sozialverträglichkeit des Strukturwandels.

Oft stoßen sie dabei auf Streitpunkte: Beim genauen Ausstiegsdatum zum Beispiel oder welche technischen Lösungen tatsächlich bereits einsatzfähig seien. Lachmann von der LEAG hält einen früheren Ausstieg als 2038 für illusorisch, nach Keller von Fridays for Future mangele es hingegen am politischen Willen. „Unser Ziel ist das Gleiche. Aber wie wir dahinkommen, darin unterscheiden wir uns“, wird Wolfgang Rupieper von Pro Lausitzer Braunkohle später sagen.

Bei der „Mammutaufgabe“ sind sie sich einig

Deshalb gibt es während der Diskussion immer wieder auch Kopfnicken, Zustimmung, Verständnis. Die Teilnehmer lassen sich ausreden, gehen aufeinander ein. Bauch und Keller von Fridays for Future machen deutlich: „Wir sind keine Gegner der Menschen in der Lausitz.“ Auch Lachmann und Katzmarek würden den Strukturwandel wollen, betonen sie. Aber selbst bis 2038 sei er eine „Mammutaufgabe“, man dürfe die Menschen nicht überrollen. Im Publikum: mal zustimmendes Klatschen, mal ablehnendes Kopfschütteln. Kaum jedoch Zwischenrufe oder Störungen.

Experiment erfolgreich? „Wir haben miteinander gesprochen – nicht gegeneinander. Keine meiner Bedenken wurde erfüllt, meine Erwartungen sind übertroffen“, sagt Aktivist Keller im Anschluss. Und Bauch fügt an: „Wir haben gegenseitiges Verständnis bewirkt. Und eben nicht nur das Gefühl, dass wir hierherkommen und alles abreißen wollen.“

Dass sich die jungen Aktivistinnen und Aktivisten überhaupt bereit erklärt haben, nach Cottbus zu kommen, finden Katzmarek und Lachmann mutig. „Eine vergleichbare Veranstaltung gab es noch nie. Wir haben uns nicht bekämpft, sondern versucht, die gegenseitige Position wahrzunehmen“, sagt Katzmarek. „Es braucht so etwas viel öfter.“

Kuschelkurs ist in der Bewegung umstritten

Man könnte die Veranstaltung skeptisch sehen – wie es einige innerhalb der Fridays-for-Future-Ortsgruppen getan hätten, so berichtet Bauch. Man könnte meinen, die Aktivisten hätten sich vom industrienahen Lobbyverband instrumentalisieren, zu einem Kuschelkurs überreden lassen, der letztlich ihre eigene Position schwäche. Man könnte dem Verein Pro Lausitzer Braunkohle unterstellen, hier ein ungleiches Duell provoziert zu haben, im Alter, in der Ortswahl, um davon zu profitieren.

Doch so wirkte es nicht an diesem Abend. Alle vier argumentierten stark, von Moderatorin Simone Wendler klug und mit Feingefühl geleitet. Die Qualität der Debatte überraschte viele im Hörsaal. Zwar ging es beiden Parteien auch darum, ihre Standpunkte deutlich zu machen. Doch, so der Eindruck, haben sich die vier Diskutanten auf dem Podium auch ernsthaft und sachlich für die Perspektive des Gegenübers interessiert. Ein Anfang?

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