Gericht weist Fracking-Gegner ab: Niederlage ohne Verlierer

Die Volksinitiative zum Schutz des Wassers verliert vor dem Landesverfassungsgericht Schleswig, erhofft sich davon aber Rückenwind.

Ein Teich in flacher Marschlandschaft vor einem Bauernhaus

Könnte wieder wichtig werden, wenn das Grundwasser verschmutzt wird: Tauteich Foto: Christian Hager/dpa

KIEL taz | Mehr als 30.000 Menschen in Schleswig-Holstein hatten für die Initiative zum Schutz des Wassers unterschrieben, deren Ziel es war, die umstrittene Gas-Fördermethode Fracking im Land zu verbieten. Doch das Parlament in Kiel wies die Kernforderung ab, nämlich ein im Gesetz verankertes Fracking-Verbot. War das rechtlich okay?

Ja, entschied das Landesverfassungsgericht. Die Initiative kämpft weiter: Sie will mit einem Volksbegehren den lokalen Widerstand gegen Fracking stärken.

„Mein Bauchgefühl ist gut“, hatte Reinhard Knof, einer der Vertrauensleute und Sprecher der Initiative, vor der Urteilsverkündung gesagt. Doch das Gefühl trog: „Der Antrag wird zurückgewiesen“, verkündete Bernhard Flor, Vorsitzender des Verfassungsgerichts, im Namen der sieben RichterInnen, die das Urteil einstimmig gefällt hatten.

Leicht hatten sie es sich mit dieser Entscheidung aber nicht gemacht. Ausführlich begründete Flor die juristischen Hintergründe und machte deutlich: „Wir sprechen hier nicht über Für und Wider von Fracking.“

Es geht um „Hürden für direkte Demokratie“

Stattdessen ging es darum, ob ein Landtag Teile von Volksinitiativen, -begehren oder -entscheiden zurückweisen darf – und auch darum, ob Fragen des Wasserschutzes im Landes- oder im Bundesrecht behandelt werden müssen. Zudem klärte das Gericht auch die eigene Zuständigkeit bei diesem Thema.

Für Roda Verheyen, Anwältin der Initiative, reichte der Fall über die Fracking-Frage hinaus: „Es geht darum, wie hoch die Hürden für direkte Demokratie sind“, hatte sie in der Verhandlung Anfang Oktober erklärt. Denn oft komme durch eine Volksinitiative erst eine gesellschaftliche Diskussion in Gang. Stehe von Anfang an bereits fest, dass die Unterschriftensammlung zwecklos sei, weil ein Parlament sie zurückweisen dürfe, würden der Debatte „gleich zu Anfang die Beine weggerissen“.

Das Schleswiger Gericht befasste sich nicht mit solchen möglichen Folgen, sondern schaute auf die Gesetzeslage. Und die besagt, dass im föderalen System Bundesrecht Landesrecht bricht. Sprich: Bei Fragen, die in die Kompetenz des Bundes fallen, dürfen Länder nur dann Gesetze erlassen, wenn der Bund darauf verzichtet hat. Über Fracking habe der Bundtag aber „abschließend beschlossen“, so Flor.

Joachim Rotermund, Volksinitiative zum Schutz des Wassers

„Das Gericht hat deutlich gemacht, dass Fracking erlaubt ist. Das macht klar, dass die Gefahr trotz der Beteuerungen der Politik besteht“

Die Initiativen-Vertreter Knof und Joachim Rotermund hätten sich zwar ein anderes Ergebnis gewünscht, waren aber dennoch nicht unzufrieden: „Das Gericht hat deutlich gemacht, dass Fracking in Schleswig-Holstein erlaubt ist“, sagte Rotermund. „Das macht der Bevölkerung klar, dass die Gefahr trotz der Beteuerungen der Politik besteht.“

Das Kieler Parlament hatte sich über die Fraktionsgrenzen hinweg gegen Fracking ausgesprochen und im Sommer einige Änderungen im Landeswassergesetz beschlossen. Dies geht der Initiative aber nicht weit genug. Denn die Bundesgesetze erlauben das sogenannte konventionelle Fracking. Bei dem Verfahren werden Wasser oder Chemikalien mit Druck in den Boden gepresst, um Erdgas zu fördern. KritikerInnen befürchten, dass dabei Grundwasser verunreinigt wird.

Die Gruppe hat ein Volksbegehren gestartet und sammelt dafür aktuell Unterschriften. Von dem Urteil erwarten Knof und Rotermund weiteren Rückenwind für ihr Anliegen. Denn auch wenn das Gericht ein landesweites Fracking-Verbot ausschließt, lassen sich Fracking-Vorhaben vielleicht auf Umwegen verhindern oder zumindest erschweren: „Wir möchten erreichen, dass zum Beispiel Bürgermeister von sich aus über Fracking-Vorhaben in ihrer Gemeinde berichten dürfen“, sagt Knof. „Dann könnte sich der Widerstand der Bevölkerung formieren.“

Kommunen sollen früher Alarm schlagen können

Eine entsprechende Gesetzesänderung für mehr Transparenz will die Initiative im Volksbegehren erreichen. Die Landtagsparteien sehen dagegen die Forderungen der Initiative bereits erfüllt. So argumentieren die mitregierenden Grünen, dass bei „Gefahr im Verzug“ selbstverständlich informiert würde. Die Initiative möchte aber, dass die Öffentlichkeit bereits Bescheid weiß, wenn eine Firma eine Sondierung plant.

Noch bis März werden Unterschriften für das Volksbegehren gesammelt. Listen liegen in Ämtern und Rathäusern aus. UnterstützerInnen der Initiative verteilen sie aber auch in Läden oder auf Märkten. Knof schätzt, dass rund 40.000 Menschen bereits unterschrieben haben. Um das Begehren zum Erfolg zu machen, müssen sich 80.000 Menschen dafür aussprechen. Knof ist überzeugt: „Wir kriegen das hin.“

Thomas Rischer, Abteilungsleiter im Landtag, sieht trotz der Niederlage der Initiative die direkte Demokratie gestärkt: „Das Gericht hat bestätigt, dass es erlaubt ist, einzelne Fragen einer Volksinitiative abzutrennen. Damit muss ein Landtag nicht ein komplettes Verfahren ablehnen, wenn ein Satz unzulässig ist.“

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