Grüne Wirtschaft: Bin ich ein Klimakiller?

Wer wo sein Geld investiert, ist zentral für einen ökologischen Umbau der Wirtschaft. Die Frage ist, wie man mit Anlagen am besten vorgeht.

100-Euro-Scheine liegen übereinander

Grünes Geld für eine grüne Wirtschaft – alles steht und fällt mit der richtigen Anlage Foto: Robert Anasch/Unsplash

Liebes Geld, was treibst du so? Viel hab ich nicht, aber seit ein paar Jahren riester ich. In großer Sorge wegen des drohenden Klimakollapses rief ich in offizieller Pressemission bei meinem Versicherer an und wollte wissen, wo er mein Geld angelegt hat. In welchem Staat und in welchem Unternehmen, was anderes gibt es ja nicht zum Investieren. Zahle ich etwa für Ölbohrungen?

Ein Sprecher gibt sich Mühe und forscht nach, kann es mir aber nicht sagen. Es sei viel zu kompliziert, einzelnen Kun­d*in­nen aufzudröseln, wo ihr Geld steckt.

Bin ich wohl selbst schuld, es hätte auch Anbieter gegeben, die transparent sind. Der Sprecher schreibt außerdem, man schließe grundsätzlich Anlagen in Unternehmen aus, „die ausbeuterische Kinderarbeit gemäß ILO-Standards betreiben“. Muss man das extra erwähnen? Ich dachte immer, Kinderarbeit sei ein Verbrechen. Auch Unternehmen, die Streumunition, Anti-Personen-Landminen sowie Nuklearwaffen herstellen, seien raus (wie beruhigend), ebenso Unternehmen, „die größere Umsätze in den Bereichen Glücksspiel, Pornografie und Tabak generieren“. Was heißt „größere Umsätze“?

Ich reite auf dem Punkt herum, weil Transparenz bezüglich der Frage, wer wo sein Geld investiert und was es da macht, zentral für die Abwendung des Klimakollapses ist. Denn Umfragen ergeben, dass die meisten Menschen in den Industrie­län­dern die Erderhitzung als große Bedrohung sehen. Auch Unternehmen können sich dieser Erkenntnis nicht entziehen, so wie Zen­tral­banken, Versicherer und Finanzaufsicht. Wie aber übersetzt man dieses Entsetzen in die entscheidende Währung: Geld?

Kaufen Sie etwas anderes

Eigentlich braucht es nur Warnschilder auf allen Finanzprodukten, von der Riester-Rente über den Aktien- bis zum Immobilienfonds, etwa derart: Mit dieser Geldanlage tragen Sie zu einer Erderwärmung um 3 Grad bei und gefährden so die Zukunft der Menschheit. Kaufen Sie besser etwas anderes.

Wie übersetzt man das Entsetzen über die Erderwärmung in die alles ­entscheidende Währung: Geld?

Die Finanzindustrie wehrt sich mit Geldhänden und Lobbyfüßen gegen solche ­Regeln, obwohl Banken, Versicherer und Fondsmanager gerade zusammen mit NGOs und Wissen­schaft­ler*innen im Auftrag der EU ein sehr, sehr komplexes Regelwerk darüber erarbeitet haben, wie man solche Warnschilder umsetzte könnte. Über die Regelungen verhandeln EU-Parlament, Rat und Kommission gerade final. Ein epochales Werk, allerdings wird seine Anwendung freiwillig sein. Das ist gerade so, als könnte die Tabakindustrie Schockbilder auf ihre Kippenschachteln kleben oder eben auch nicht.

Trotzdem halten 50 Umweltorganisationen in einem Brief das Regelwerk für „angemessen“. Einige Beobachter*innen sprachen gar von einem Durchbruch, weil es bald in einem so großen Wirtschaftsraum wie der EU eine einheitliche Definition dessen gibt, was eine „nachhaltige Geldanlage“ ist. Beispiel gefällig? Wenn ein Unternehmen eine Anleihe ausgibt, mit der es den Bau von Autos finanziert, die weniger als 50 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen. Solche Ziele sind nicht auf ewig fixiert, sie sollen allmählich schärfer gefasst werden.

Auch soziale Standards müssen eingehalten werden. Grundsätzlich definiert die EU sechs ökologische Grundprinzipien. Eine grüne Geldanlage muss mindestens einem davon nutzen, etwa dem Klimaschutz, darf aber keinem schaden, etwa dem Schutz der Meere.

Mächtige Verbündete im Kampf für das Klima

Unabhängig davon wird mein Versicherer anhand der allgemeingültigen Definition bald bewerten können, ob ich mit meinem Riester-Geld das Klima kille. Ich werde dann noch mal nerven. Hinzu kommt, dass wirklich alle Finanzmarktakteure in der EU uns bald nicht mehr den letzten klimaschädlichen Mist als Rente oder Versicherung andrehen dürfen, sondern eine ökologische Alternative vorschlagen müssen.

In Teilen der Finanzwelt herrscht deshalb bereits helle Aufregung. Einige Banken und Versicherer bauen Datenbanken auf, in denen sie Unternehmen nicht mehr nur nach Gewinn, sondern auch nach CO2-Bilanzen bewerten. Vorreiter bei den Investoren sind Pen­sions­fonds und große Versicherer. Weil die unser aller Beiträge einsammeln, übertragen wir ihnen die Macht, über unsere Zukunft zu entscheiden. Sie bunkern unser Geld ja nicht im Tresor, sie müssen es investieren, also es Staaten oder Unternehmen gegen Zinsen leihen. Diese Unternehmen entwickeln Autos, programmieren Software, investieren in sauberen oder schmutzigen Stahl oder Energie, backen Brötchen, entscheiden also darüber, ob der Planet vor die Hunde geht.

Versicherer jagen nicht kurzfristiger Rendite hinterher. Sie müssen in 40 Jahren noch solvent sein und uns die Renten auszahlen. Sie denken also langfristig. Für sie ist die Aussicht, dass überflutete Küstenstädte und Hurrikans ihre Geldanlagen vernichten, eine echte ökonomische Bedrohung. Sie sind die mächtigsten Verbündeten, die man sich suchen kann, wenn man Klimaschutz betreiben will.

Warum geben sie ihr Geld nicht einfach nur noch Unternehmen, die Solarzellen oder Kindergärten oder Häuser bauen, die mehr Energie produ­zie­ren als verbrauchen? Ganz einfach, weil der saubere Teil der Wirtschaft viel zu klein ist für die schiere Menge an Geld, die angelegt werden muss.

Ran an den harten Kern der Industrie

Wenn Sie ganz persönlich Ihr Geld ethisch oder ökologisch anlegen wollen, geht das ohne Weiteres bei entsprechenden Instituten, die Auto-, Stahl- oder Chemieunternehmen kategorisch ausschließen. Aber falls sie zufällig 37 Billionen Dollar sinnvoll investieren müssen, wird es schwierig. So viel verwalten allein die 15 größten Assetmanager der Welt. Das ist ein amazonasbreiter Strom an Kapital, weit mehr, als die paar Ökomühlen am Ufer verwerten können.

Dazu kommt ein weiterer Punkt: Wer macht Druck auf die Autoindustrie, die Stahlkocher, die Zementhersteller? In dieser Woche veröffentlichten zwei Institute eine Studie, die eindeutig auf der ökologischen Seite der Schlachtordnung stehen: „Investitionsdilemma der energieintensiven Industrie lösen und industriellen Klimaschutz ermöglichen“, überschreiben der Thinktank Agora Energiewende und das Wuppertal Institut eine Untersuchung, in der sie, salopp gesagt, formulierten: Klimaschutz in Europa ist witzlos, wenn die Grundstoffe wie Chemie, Stahl oder Zement nicht ökologisch hergestellt, sondern schmutzig importiert werden. Wer den Klimakollaps verhindern will, der muss an den harten Kern der Industrie ran.

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk, im praktischen Wochenendabo und bei Facebook und Twitter.

Erstaunlich ist, dass mittlerweile Industrie und Ökovordenker dieselben Maßnahmen fordern: Schutz vor billigen, aber klimaschädlichen Importen etwa aus China oder den USA, staatliche Abnahmegarantien für klimafreundlichen Stahl oder klimafreundliche Chemie, einen Preis für CO2. Steht so in einem Forderungskatalog des Stahl- und Rüstungskonzerns Thyssenkrupp ebenso wie in der oben erwähnten Studie der Ökos.

Das alles bringt ökologisch orientierte Investoren in ein Dilemma: Viele der Unternehmen, die sich umstellen müssten, arbeiten heute noch ex­trem schmutzig. Eigentlich undenkbar, aus ihnen eine Art grüne Geldanlage zu machen. Und trotzdem brauchen sie für ihre Ökotransformation Kapital. „Die große Kunst besteht darin, eine Transformation zu begleiten und nicht einfach zu sagen, wir schließen euch aus und interessieren uns nicht“, sagt etwa Georg Schürmann, Geschäftsleiter der ethisch-ökologischen Trio­dos Bank in Deutschland.

So könnte es gehen

Allerdings müsse man sich das von Fall zu Fall anschauen: Arbeiten im Unternehmen alle, vom Management über die Produktentwickler bis zur Forschungsabteilung, ernsthaft daran, die Klimazerstörung zu beenden? Oder handelt es sich nur um ein Feigenblatt für ein besseres Image? Bei der Beurteilung spielen die großen Versicherer eine wichtige Rolle, weil sie wegen ihrer schieren Kapitalkraft so viele Anteile an Unternehmen erwerben können, dass sie tiefe Einblick haben und jederzeit dem Chef persönlich den Kopf waschen können, falls der nur quatscht und nichts tut.

Einige von ihnen verfolgen diesen Ansatz sehr ernsthaft: Die britische NGO InfluenceMap bescheinigte den europäischen Vermögensverwaltern Legal & General, UBS, Axa, Allianz und Crédit Agricole, mit ihrer kapitalen Feuerkraft Unternehmen ernsthaft zu mehr Klimaschutz zu treiben und ihre Lobbyisten gar für mehr, nicht weniger Klimaschutz auf die Regierungen anzusetzen. Schlecht schneiden dagegen die US-Amerikaner ab, etwa BlackRock, Goldman Sachs und JPMorgan Chase.

Für Investoren ist Klimaschutz mittlerweile mehr als nur eine ethische Frage: Weil immer mehr Staaten den Ausstoß von CO2 teurer machen, werden Investitionen in fossile Energieträger riskanter. Weil viele Banken Geld in Öl, Kohle oder Gas investiert haben, fürchten Finanzmarktaufsichten, dass Banken ins Wanken geraten könnten, wenn das Zeug immer weniger wert wird.

Kürzlich schrieb die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht an die rund 8.000 von ihr beaufsichtigten Banken, Versicherer und Fonds, „eine strategische Befassung mit Nachhaltigkeitsrisiken und eine entsprechende Umsetzung“ seien erforderlich. Soll heißen: Wir erwarten, dass ihr Klima, Umwelt und soziale Fragen als Risikofaktoren in eure Geschäftsmodelle integriert.

Der ökologische Umbau der Wirtschaft funktioniert am Ende vielleicht ähnlich wie das Klima selbst: mit Kipppunkten, sich selbst verstärkenden Wechselwirkungen. Jedes Unternehmen, das sich aufmacht, klimaneutral zu werden, verstärkt den Druck auf die Politik, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Was wieder mehr Investoren lockt, mehr Unternehmen zum Umdenken bringt. Immer, wenn das Rad stockt, treiben Proteste es wieder an. So könnte es gehen.

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