Plädoyer vor Europäischem Gerichtshof: Söder doch nicht in den Knast

Muss der bayerische Ministerpräsident in Haft, weil er Urteile zur Luftreinhaltung missachtet? Der EuGH-Generalanwalt meint: Nein.

Markus Söder kneift ein Auge zusammen und schaut in die Kamera.

Der Bayrische Ministerpräsident Markus Söder bleibt in Freiheit! Foto: Jens Schicke/imago

KARLSRUHE taz | Das EU-Recht verlangt keine Zwangshaft gegen Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und andere Amtsträger. Diese Position vertrat am Donnerstag der unabhängige Generalanwalt Henrik Saugmandsgaard Øe in einem Verfahren am Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg.

Grund für das abstrus anmutende Verfahren vor dem EuGH: Seit 2012 wird in Bayern darum gestritten, ob in München Fahrverbote vorbereitet werden müssen, um Grenzwerte einhalten zu können. Bayerische Verwaltungsgerichte haben das angeordnet. Die CSU-geführte Landesregierung weigert sich jedoch. Zwangsgelder gegen sie blieben erfolglos, denn deren Höhe ist gesetzlich auf 10.000 Euro begrenzt. Außerdem zahlt das Land das Zwangsgeld an die Staatskasse, also an sich selbst.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat als Klägerin deshalb beantragt, Regierungschef Söder und/oder weitere Regierungsbeamte in Zwangshaft zu nehmen. Das wäre keine Strafe für Fehlverhalten, sondern ein Beugemittel, um die Umsetzung der Gerichtsurteile zu erreichen. In Baden-Württemberg hatte die DUH Anfang August einen ähnlichen Antrag gegen Ministerpräsident Kretschmann (Grüne) gestellt.

In der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist Zwangshaft zwar nicht vorgesehen. Aber die VwGO verweist bei Lücken auf die Zivilprozessordnung (ZPO), die die Zwangshaft für die Durchsetzung von Gerichtsurteilen kennt. Auf dieser Grundlage wären bis zu sechs Monate Zwangshaft möglich.

Missachtung der Urteile „schwerwiegend“

Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) München hielt diesen Weg aber nicht für gangbar. Der Gesetzgeber habe beim Verweis auf die ZPO nicht vor Augen gehabt, dass er hiermit Freiheitsentzug für Regierungsmitglieder ermögliche. Der VGH legte deshalb den Fall dem EuGH vor und bat um eine europarechtliche Einschätzung.

Generalanwalt Saugmandsgaard Øe erklärte zwar die bayerische Missachtung der Gerichtsurteile für „schwerwiegend“, und Deutschland müsse auch „alle erforderlichen Maßnahmen“ ergreifen, um die EU-Luftgrenzwerte einzuhalten. Dabei setzten aber die EU-Grundrechte Grenzen. Eine Zwangshaft sei nur möglich, wenn sie in deutschen Gesetzen vorgesehen ist. Das EU-Recht sei deshalb aber nicht zahnlos, so der Generalanwalt. Gegen Deutschland laufe bereits ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission.

Der EuGH wird in einigen Wochen entscheiden. Wenn er dem Generalanwalt folgt, geht das Verfahren zurück an den VGH München, der die beantragte Zwangshaft dann voraussichtlich ablehnen wird.

Der letzte Absatz wurde nachträglich korrigiert. Jetzt wird dort auch auf das noch ausstehende EuGH-Urteil hingewiesen.

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