Proteste am Bremer Flughafen: Affen fliegen Air France

Der lokale Ableger von Ärzte gegen Tierversuche protestiert seit Jahren hartnäckig gegen die französische Luftfahrtgesellschaft.

Makeke-Affe in einem Versuchslabor

Zur Hirnstrommessung fertig gemacht: Makake in einem Versuchslabor Foto: Marijan Murat/dpa

BREMEN taz | Mittlerweile ist Robert Porzel am Bremer Flughafen bekannt – am Stand im Terminal 1 bekommt er den Kaffee schon zum Freundschaftspreis. Nein, der Informatiker ist kein Vielflieger, sondern Aktivist bei Ärzte gegen Tierversuche. Zusammen mit rund 25 Bremer Mitstreiter*innen engagiert er sich mit langem Atem gegen Transporte von Versuchstieren durch die Fluglinie Air France.

Seit mittlerweile vier Jahren halten sie an jedem letzten Sonntag im Monat Mahnwachen gegen das französische Unternehmen am Flughafen ab. Die Aktionen sind Teil einer internationalen Kampagne gegen Fluglinien, die sich am Geschäft mit der in Laboren landenden Lebendfracht beteiligen.

Die britische Organisation „Cruelty Free International“ hatte in jahrelangen Recherchen skandalöse Praktiken bei Fang und Zucht von Tieren in ihren Ursprungsländern aufgedeckt. Etwa in Mauritius oder Vietnam wurde festgestellt, dass auch international geschützte Arten gefangen werden.

Der Luftweg sei für den Transport dieser Tiere nach Europa oder in die USA alternativlos, so Porzel: „Weil weder Wasser, Essen noch Pfleger auf den Reisen verfügbar sind, liegt ihre maximale Dauer bei 60 Stunden. Deswegen ist der Land- oder Wasserweg ausgeschlossen und wäre viel zu teuer.“ Die Strategie der Kampagne, die Lieferwege der Industrie anzugreifen, habe sich als sehr effektiv erwiesen.

Fluglinien knicken ein – nur Air France nicht

Auf Nachfrage bestätigt Lufthansa, dass der öffentliche Druck der internationalen Kampagne sie dazu veranlasst hatte, Versuchstier-Transporte einzustellen. Gleiches gilt laut Berichten der israelischen Tageszeitung Haaretz für die Fluglinie El Al. Mehrere Zuchtstationen in Israel wie die Mazor-Farm der Firma BFC hätten daraufhin schließen müssen, weil sie auf die Ausfuhr der Tiere angewiesen gewesen waren.

In Europa zeigt sich lediglich Air France von den Protesten unbeeindruckt. Viele Passagiere der Fluglinie am Bremer Flughafen sehen das laut der Erfahrungen von Porzel anders: „Wir treffen immer wieder auf erschrockene Menschen, die uns sagen, dass sie bei der nächsten Flugreise auf einen anderen Anbieter zurückgreifen werden.“

Lufthansa hat die Tiertransporte eingestellt – wegen der Proteste, bestätigt die Airline

Die Pressestelle von Air France Deutschland verweist auf Nachfrage auf ein Statement aus dem Jahre 2015, in dem vor allem auf die Relevanz der Versuche für die medizinische Forschung hingewiesen wird. „Mittlerweile hat das Unternehmen strenge Standards zum Komfort und Wohlergehen der Tiere aufgestellt, um ihnen optimale Transportkonditionen zu gewährleisten“, heißt es dort außerdem.

Für welche Abnehmer transportiert wird, ist unklar

Sicher ist, dass die Lieferungen von Air France Affen zu Forschungsanstalten in die USA und nach Europa bringen. Und dass in Bremen selbst keine Affen ankommen. Für welche Abnehmer die Transporte jedoch bestimmt sind, möchte die Fluggesellschaft nicht mitteilen. Das deutsche Tierschutzgesetz schreibt vor, dass Labore auf Nachkommen von in Gefangenschaft gezüchteten Primaten zurückgreifen müssen. Nur in besonderen Fällen dürfen Genehmigungen für Transporte von in freier Wildbahn gefangenen Tieren ausgesprochen werden.

Von einer Sprecherin des Deutschen Primatenzentrums in Göttingen, dem einzigen Affenzuchtlabor hierzulande, heißt es: „Um die genetische Diversität unserer Populationen aufrecht zu erhalten, kooperieren wir mit europäischen Primatenzentren.“ Soll heißen: „Eine systematische Einfuhr von Affen gibt es deshalb bei uns nicht.“ Es könne jedoch nicht kategorisch ausgeschlossen werden, dass „Tiere mit einer bestimmten genetischen Ausstattung manchmal eingeführt werden müssen.

Robert Porzel hält es hingegen für ausgeschlossen, dass in deutschen Zuchtlaboren nicht auch auf Affen aus Übersee zurückgegriffen werden muss: „Das System hängt davon ab, dass auch Nachschub aus Übersee kommt“, glaubt er.

Protestierende bleiben hartnäckig

Die Mahnwachen am Flughafen werden also weitergehen. Die Termine haben sich zu einem Treffpunkt der Bremer Tierschutzszene entwickelt. Woher die Hartnäckigkeit des Protests rührt? „In den Niederlanden wurden Schritte zu einer tierversuchsfreien Wissenschaft bis 2025 eingeleitet. Wir sehen also, wo die Reise hingeht, und die Ausdauer wird sich auszahlen“, so Porzel.

An Themen mangelt es den Aktivist*innen jedenfalls nicht: Gegen Deutschland läuft derzeit ein Verfahren wegen Nichteinhaltung von EU-Richtlinien zum Tierschutz. Sollte die nationale Gesetzgebung nicht bald angepasst werden, drohe eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Airport Bremen nimmt die Proteste derweil routiniert. Von einem Sprecher heißt es, mit den Organisatoren und Teilnehmern, die seit vielen Jahren zum Terminal 1 kommen, habe es bisher noch keine Probleme gegeben.

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