Berliner Verlag: Ein Schatz an sensiblen Daten

Im Berliner Verlag haben die neuen Verleger längst nicht nur aufgrund von Stasi-Vorwürfen für Unruhe gesorgt.

Das Haus des Berliner Verlags an der Alten Jakobstraße

Die Redaktionsräume des Berliner Verlags Foto: dpa

Der Philosoph Andreas Brehme sagte mal: „Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß.“ Diese Weisheit hätte vergangene Woche gut im Berliner Verlag fallen können. Denn die schlechten Nachrichten für das mit Software reich gewordene Ehepaar Silke und Holger Friedrich rissen nicht ab. Und nun umweht die Käufer des Medienhauses, das die Berliner Zeitung, den Berliner Kurier und in einer privat-öffentlichen Partnerschaft das Stadtportal berlin.de betreibt, kein frischer Silicon-Valley-Wind, sondern es riecht eher, nun ja, nach Scheiße am Schuh.

Kurze Zusammenfassung der Nachrichtenlage: Holger Friedrichs Spitzeltätigkeit für die Stasi kam raus, wiederum rein in die Berliner Zeitung kam unkritische Berichterstattung über ein Unternehmen, in dem der Friedrich zufällig im Aufsichtsrat sitzt. Und dann kristallisierte sich noch heraus, dass sich die Friedrichs bei ihrer Investition wohl verspekuliert haben. Wie sonst sind die Aussagen der Friedrichs zu erklären, die sie in einem NZZ-Interview tätigten? Denn dort sagten sie, das Stadtportal berlin.de sei der „wahre Schatz“ beim Kauf des Verlags. Die reichweitenstarke Website sei der entscheidende Hebel, um ihre Inhalte künftig zu platzieren.

Besonders pikant wegen der öffentlich gewordenen Spitzeltätigkeit waren dabei Holger Friedrichs Aussagen zum Umgang mit Personendaten bei Aktionen, die auf dem öffentlichen Teil von berlin.de beim digitalen Behördengang künftig stattfinden sollen: „Man lädt sich die App der Stadt herunter, scannt seinen Ausweis ein, dann wird in wenigen Sekunden verifiziert, ob das Dokument valide ist oder irgendetwas juristisch vorliegt. Als Nächstes wird die Steueridentifikationsnummer abgeglichen, auch die Rückmeldung erfolgt binnen Sekunden. Fertig.“ Toll. Und noch toller: Direkt daneben sollten sich News, Werbung und was nicht alles der Verlagsgruppe befinden, so wohl die Zukunftsvision.

Kein Wunder also, dass der Senat den Friedrichs widersprach

Kein Wunder also, dass der Senat den Friedrichs schneller widersprach, als diese „Dekonspiration“ sagen konnten: Der Vertrag mit dem Berliner Verlag sei bereits seit 2018 gekündigt, heißt es genervt in einer Pressemitteilung auf, natürlich, berlin.de. Man wolle selber wieder mehr Einfluss auf das Angebote dort haben. Sabine Smentek, SPD- und IT-Staatssekretärin, sagte: „Wir sind weit davon entfernt, einem privaten Unternehmen tiefere Einblicke in die sensiblen Daten zu gewähren.“ Kommerzielle Interessen dürften dort keine Rolle spielen. Dass sie es natürlich noch bis Ende des Vertrags am 31. Dezember 2021 weiter tun, erwähnte sie nicht. Denn wirklich unterscheidbar sind die Behördeninhalte und die redaktionell-kommer­ziel­len Teile auf berlin.de schon jetzt nicht: Nur ein zarter blauer Balken trennt diese.

Der wird dann Ende 2021 zusammen mit den Ambitionen der Friedrichs für das Stadtportal verschwinden. Peinlich dabei: Von der Kündigung des Vertrags hatten die Friedrichs wohl noch nichts gewusst. Ebenso kennen können hätten sie juristische Renditehindernisse für das Stadtportal. Nach jüngsten Urteilen in Präzedenzfällen untersagten Gerichte nämliche die Durchmischung von öffentlichen Aufgaben und Journalismus.

Gegen Ende der Woche reagierten auch die Journalist:innen der Berliner Zeitung und des Kuriers auf den neuen Interessen-Mix: Sie wollen einen Redaktionsbeirat gründen und ein Statut einführen, um Verlag und Redaktion stärker abzugrenzen.

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