Digitalisierung der Bibliotheken: Update ins Ungewisse

In Berlin haben die öffentlichen Bibliotheken nach acht Tagen ihre Türen wieder geöffnet – doch das Onlineangebot macht noch Ärger.

Der Bildschirm eines Computers einer öffentlichen Bibliohtek zeigt die Meldung "Wartung!". Im Hintergrund Bücherregale.

Nein, es lag nicht an der Internetverbindung: die neue Website scheint noch nicht ganz fertig Foto: Björn Brinkmann

BERLIN taz | Hummer sind beeindruckende Tiere – und noch beeindruckenderer Stoff für Metaphern: den Schalentieren wird es regelmäßig zu eng in ihrem starren Skelett, sodass sie gezwungen sind, im Laufe ihres Lebens immer wieder ihrem Panzer zu entfliehen, um mühsam einen etwas größeren auszubilden. In der Zwischenzeit sind sie dabei wochenlang extrem ungeschützt – keine Entwicklung ohne Preis.

Ein wenig erinnert die heutige Situation beim Verbund öffentlicher Bibliotheken Berlins (VÖBB) an diesen verletzlichen Zwischenstatus im Leben der Krebstiere. Wegen eines nötigen Softwarewechsels waren letzte Woche alle Häuser geschlossen sowie diverse Onlinefunktionen nicht verfügbar. Gestern sollten dann die Bibliotheken mitsamt einer nigelnagelneuen Website nach acht Schließtagen wieder an den Start gehen. Doch digitale Abgründe taten sich auf.

Zwar konnte der flinke Internetnutzer zwischendurch kurz mal einen Blick auf das neue Design der Seite erhaschen – ein sanftes Petrol schmeichelte den Augen. Doch ehe ein Buch gesucht, geschweige denn gefunden werden konnte, drängte sich immer wieder die Meldung „Internetangebot für Wartungsarbeiten abgeschaltet“ dazwischen.

„Unsere Techniker sind da wie verrückt dran“, so Anna Jacobi, Pressesprecherin der Zentral- und Landesbibliothek, am Montagvormittag. Auch die langen intensiven Testungen des neuen Angebots hätten den Normalbetrieb nicht erproben können. „Der Server ist wohl damit überlastet, dass jetzt wieder die halbe Stadt auf unsere Website zugreift.“ Ausleihen und Rückgaben seien an den Standorten laut Jacobi allerdings wieder möglich.

Einmal aus und an

In der Amerika-Gedenk-Bibliothek am Halleschen Tor bietet sich ein gemischtes Bild: Als hätte es die einwöchige Unterbrechung nie gegeben, ist das Gebäude so belebt, wie es eine Bibliothek eben noch zu sein vermag.

An der Infotheke allerdings herrschte Ratlosigkeit. „Wir kommen selber nicht auf unseren Katalog“, erklärt eine Angestellte mit leicht gequältem Gesichtsausdruck. So sahen sich die Angestellten gezwungen, die eigenen Bücher über fremde Webseiten, wie etwa der des Kooperativen Bibliotheksverbandes Berlin, zu suchen.

Am Nachmittag entschieden sich die Techniker des VÖBB schließlich dazu, das gesamte System bei laufendem Büchereibetrieb herunter- und wieder raufzufahren. Zunächst war dies laut Pressesprecherin Jacobi erst abends nach Betriebsschluss geplant gewesen. Denn während des Manövers seien Website und Katalog gar nicht aufrufbar, elektronische Medien könnten nicht ausgeliehen sowie Internetplätze und Kassenautomaten nicht benutzt werden.

Ob sich die Turbulenzen mit dem Hochfahren aus der Welt schaffen ließen, war bis zum frühen Montagabend noch nicht absehbar. Sichtbar wurde allerdings, ob digital oder analog: ein Epochenwechsel fordert seinen Tribut. Klar wäre es leicht, mal wieder über digitales Behördenversagen zu spotten. Doch wenn der arme Hummer schon panzerlos am Boden kriecht – wer möchte da noch nachtreten?

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