Aberkennung der Gemeinnützigkeit des VVN: Weder Herz noch Hirn

Den Verein der Überlebenden des Holocaust als extremistisch einzustufen und ihm die Gemeinnützigkeit abzuerkennen, ist so hirnlos wie fatal.

Rote Rosen und eine Kerze vor einer Gedenkstätte

9. November: Rosen liegen bei der Gedenkkundgebung der VVN in Berlin

Die Auschwitz-Überlebende Esther Bejarano hat 75 Jahre nach dem Holocaust in Deutschland wieder Angst. Die 95-Jährige, deren Eltern von den Nazis ermordet wurden, bekommt nicht zuletzt, wenn sie rechtsradikalen Politikern zuhört, das Gefühl, dass sich heute „alles wiederholt“. Bejarano tut, was sie kann, um Deutschland vor dem Rechtsextremismus zu bewahren.

Sie war Mitgründerin des Internationalen Auschwitz-Komitees und ist heute Ehrenvorsitzende der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA). Die Entscheidung des ­Berliner Finanzamtes, dem VVN Verein die Gemeinnützigkeit zu entziehen, muss für sie und ihre MitstreiterInnen wie ein Schlag ins Gesicht sein.

Noch weilen Überlebende des Holocaust unter uns. Wie kaltherzig muss jemand sein, um den wichtigsten Repräsentanten der einst Verfolgten finanziell in die Knie zu zwingen. Die drohende Steuernachzahlung könnte für den Verein, dessen Mitgliederzahlen seit Jahren sinken, das vorzeitige Aus bedeuten.

Der Verein sei vom Verfassungsschutz als linksextrem geführt worden, heißt es. Die Nähe der Antifaschisten zu linken Parteien mag in der Vergangenheit problematisch gewesen sein. Heute entbehrt sie jeglicher Relevanz.

Kaum sechs Wochen nach dem antisemitischen Terroranschlag in Halle kann es nicht mehr reichen, mehr Sicherheitspersonal vor jüdischen Einrichtungen zu postieren. Wenn deutsche Juden Angst haben, mit einer Kippa auf dem Kopf auf die Straße zu gehen, dann ist etwas schiefgelaufen in diesem Land.

Erziehung und Aufklärung sind der einzige Weg, um „eine Welt ohne Rassismus, Antisemitismus und Nazismus zu schaffen“, wie es sich der VVN-BdA auf die Fahne schreibt. Diesen Verein als extremistisch einzustufen und ihm die Gemeinnützigkeit abzuerkennen, ist so hirnlos wie fatal. Es markiert den Feind der Demokratie falsch. Die Gefahr droht aus dem gegenüber liegenden Lager.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

1961 in Berlin geboren und seit 2021 Co-Leiterin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.