Helfer über tote Migranten im Sahel: „Einfach in der Wüste abgesetzt“

Auf dem Weg durch die Sahara sterben heute mehr Migrant*innen als auf dem Mittelmeer. Moctar Dan Yayes Gruppe Alarm Phone versucht zu helfen.

Drei junge Männer auf einer Matratze mit Handys

Diese Migranten wurden aus Algerien nach Agadez in Niger ausgewiesen. Viele Menschen sterben dabei Foto: dpa

taz: Herr Yaye, die UN haben am vergangenen Wochenende noch einmal bekräftigt, dass sie davon ausgehen, dass es derzeit mindestens doppelt so viele Tote auf dem Weg durch die Wüste als im Mittelmeer gibt. Sie hat von einer „Tragödie“ gesprochen. Warum genau sterben die Menschen heute in der Sahara?

Moctar Dan Yaye: Der reguläre Weg durch die Wüste ist nicht so riskant. Doch seit 2015 ist es in Niger verboten, ausländische Flüchtlinge und MigrantInnen durch die Wüste zu transportieren. Den Fahrern drohen hohe Strafen. Also nehmen sie teils Routen durch unerschlossenes, unbewohntes Gebiet. Das erhöht viele Risiken: zu wenig Benzin oder Wasser, Desorientierung, Unfälle, Zurückgelassene auf der Flucht vor dem Militär. So wurde die Wüste gefährlich gemacht. Dabei ist sie heute stärker kontrolliert und militarisiert als zuvor.

Weshalb?

Es gibt in Niger viele internationale Truppen, etwa aus den USA, Frankreich, Deutschland, anderen Sahel-Staaten. Offiziell geht es dabei vor allem um den Kampf gegen die dschihadistischen Gruppen, die dort aktiv sind. Im nigrischen Diskurs wird dies aber oft mit der irregulären Migration vermischt. Die Fahrer werden von offiziellen Stellen vor allem als Drogen- oder Waffenschmuggler dargestellt. Tatsächlich ist das Bild differenzierter. Seit der Kriminalisierung des Migrantentransports gibt es neue Akteure, die teils schwer einzuschätzen sind. Einige fahren nur MigrantInnen für das tägliche Brot, es sind aber sicher auch Kriminelle darunter, die gleichzeitig illegale Dinge schmuggeln.

Es heißt, auch Abschiebungen seien ein Grund für die vielen Todesfälle. Stimmt das?

Nach unserer Wahrnehmung ist das so. Das betrifft im Wesentlichen Menschen, die aus Algerien zurückgeschoben werden. Nigrische Staatsangehörige werden meist in der grenznahen Stadt Assamaka oder in Agadez den Behörden übergeben. Dabei passiert nichts. Bei anderen Nationalitäten aber hält sich das algerische Militär teils nicht an die Abmachungen, die Menschen werden einfach an der Grenze in der Wüste abgesetzt. Das ist meiner Ansicht nach illegal. Auch Ausländer müssen sicher den nigrischen Behörden übergeben werden.

aus Niamey/Niger ist Sprecher des Alarm Phone Sahara. Die Gruppe versucht Menschen zu helfen, die in der Wüste in Not geraten.

Von der Grenze nach Assamaka sind es weniger als 15 Kilometer. Ist das so gefährlich?

Ja. Es gibt dort kaum Orientierungspunkte, immer wieder verlaufen sich Menschen.

Was kann eine zivilgesellschaftliche Initiative wie das Alarm Phone Sahara dagegen tun?

Erstens: Die Politik, die die Menschen in Gefahr bringt, zu denunzieren. Zweitens: Die Folgen dieser Politik zu dokumentieren, also die Zahl der Unfälle, die geschehen, die Zahl der Toten. Und drittens versuchen wir natürlich, Menschen zu retten und ihnen konkret zu helfen.

Wie?

Wir haben ein Netz von etwa 20 Kontaktleuten, wir nennen sie Alarmgeber. In Assamaka etwa fährt jemand das Gebiet bis zur Grenze mit dem Motorrad ab, um nach verirrten Menschen zu suchen. In Siedlungen an Verkehrsknotenpunkten versuchen unsere Leute vorbeikommende Migrantengruppen anzusprechen. Wenn sie anhalten, fragen wir, wo sie hin wollen. So lässt sich manchmal ein Unglück nachvollziehen. Vor allem aber geben wir Ratschläge zum Gebiet und verteilen unsere Flugblätter mit Informationen zum Verhalten bei Notfällen in der Wüste.

Was bekommen Ihre Leute dafür?

Sie tun es freiwillig, wir können kaum mehr zahlen als Geld für Handyguthaben, damit sie etwa Berichte an uns durchgeben oder etwas Benzin kaufen können. Einige der Alarmgeber sind schon wieder aus dem Projekt ausgestiegen, weil sie ihre ganze Zeit brauchen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

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