Liberale in Thüringen: Fünf Stimmen über den Durst

Erst am späten Wahlabend, um 23.50 Uhr, stand fest: Die FDP zieht in den Erfurter Landtag ein – nach einer stundenlangen Zitterpartie.

Thomas Kemmerich streckt dankend beide Arme aus, um ihn herum stehen Parteimitglieder und applaudieren

Kurz nach 18 Uhr war für die FDP die Welt noch in Ordnung Foto: dpa

ERFRURT taz | Am Ende waren es nur wenige Stimmen, die der FDP den Einzug in den Thüringer Landtag ermöglichten. 55.422 Stimmen erhielten die Liberalen bei der Landtagswahl – fünf mehr, als für den Sprung über die 5-Prozent-Hürde notwendig waren. Online hatten zahlreiche FDP-Mitglieder die Zitterpartie durch ständiges Klicken auf die Seite des Landeswahlleiters verfolgt, auf der die Ergebnisse erneuert wurden. Wegen eines Feuer-Fehlalarms in Erfurt traf das Resultat des letzten Wahlkreises erst um 23.50 Uhr ein.

Dabei hatte es um 18 Uhr noch nach einer sicheren Sache für die Liberalen ausgesehen, zumindest wenn man nur auf die Prognosen des ZDF schaute, das der FDP sichere 5,5 Prozent zurechnete. FDP-Spitzenkandidat Thomas Kemmerich bedankte sich auf der Wahlparty schon früh öffentlich bei seinem Team, für einen kurzen Moment versagte seine Stimme vor Rührung. Später rutschte die FDP in den Hochrechnungen auch beim ZDF Richtung fünf Prozent, bei der Live-Auszählung des Landeswahlleiters stand sie nach 22 Uhr auf 4,99 Prozent. Erst die letzten, städtischen Wahlkreise sicherten den Sprung in den Landtag.

Für die FDP bedeutet dies den ersten Einzug in einen ostdeutschen Landtag seit 2009. Bei den Wahlen in Sachsen und Brandenburg im August war sie noch trotz Zugewinnen knapp gescheitert. In Thüringen hatte sie daher diesmal auf eine Zweitstimmen-Kampagne gesetzt: wer FDP wähle, beende Rot-Rot-Grün.

Für Rot-Rot-Grün hätte es auch ohne den FDP-Einzug nicht gereicht, stattdessen ermöglicht der Einzug der Liberalen Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) paradoxerweise nun eine Möglichkeit mehr zum Überleben: Wenn er in einer Minderheitsregierung keine Zustimmung der CDU bekommt, kann er immer noch die FDP um Unterstützung bitten.

Eine Vierer-Koalition mit Linken, SPD und Grünen schlossen sowohl Kemmerich als auch FDP-Chef Christian Lindner noch am Wahlabend aus. Sie wäre aus landes- wie bundespolitischer Sicht für die FDP kaum machbar: Die FDP hatte in Thüringen eine scharfen Anti-links-Wahlkampf geführt. Generalsekretärin Linda Teuteberg sprach von der Linken als der „SED und ihren Nachfolgeorganisationen“. Kemmerich hatte noch vor den Wahlen in einem Brief an Lindner eine deutliche Abgrenzung von linksliberalen Positionen in der Partei gefordert.

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