Nach Absage von UN-Klimakonferenz: Springt Madrid ein?

Nach der Absage aus Chile ist die Not groß: Wo soll die nächste Klimakonferenz stattfinden? Am Freitag will die UN über eine Alternative entscheiden.

Frau steht vor untergehender Sonne

Die Suche nach einem neuen Platz für die Klimakonferenz wird kompliziert Foto: Julian Stratenschulte/dpa

BERLIN taz | Am Tag nach dem Schock von Santiago sind die KlimaschützerInnen ratlos. Flugtickets und Hotelbuchungen in der chilenischen Hauptstadt werden storniert, Reise- und Terminpläne eingefroren. Denn ob und wann und wo es in diesem Jahr noch eine UN-Klimakonferenz geben wird, ist bislang völlig unklar. Die sonst gut geölte Maschinerie der UN-Klimadiplomatie läuft hochtourig im Leerlauf. „So schnell wie möglich“ müsse es Entscheidungen geben, wie es weitergeht, heißt es vom UN-Klimasekretariat UNFCCC.

Im Bonner Hauptquartier der Behörde jagt eine Krisensitzung die nächste. Auch die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg muss warten. Nach ihrer spektakulären Atlantiküberquerung auf einer Segeljacht im September ist sie in Nordamerika auf dem Weg nach Chile und twitterte: „Ich werde abwarten, bis ich mehr Informationen habe.“

Nach der Absage Chiles für die Weltklimakonferenz im Dezember wollen die Verantwortlichen bei den Vereinten Nationen bereits am Freitag über Madrid als neuen Austragungsort entscheiden. Nach Angaben des Bundesumweltministeriums soll das dafür zuständige Gremium dann in einer Dringlichkeitssitzung darüber beraten. Am Donnerstag hatte Spanien seine Hauptstadt als Austragungsort angeboten. (dpa)

Im Rheinland selbst meinen viele, Bonn solle das Treffen retten. Die Stadt sei „immer gern Gastgeber für internationale Konferenzen“, sagt die Sprecherin der Stadt. Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen erklärt, man wolle gern „tatkräftig helfen, dass die COP25 noch stattfinden kann“. Dafür verfüge die Stadt „über beste Vorerfahrungen“. Immerhin war die COP schon 1999, 2001 und 2017 zu Gast, jedes Jahr im Sommer trifft sich eine „kleine“ COP, um technische Fragen zu klären. Nicht umsonst residiert das UNFCCC-Sekretariat am Rhein.

Mehrere zehntausend Quadratmeter braucht's

Aber eine simple Verlegung von Santiago nach Bonn ist kaum möglich. Man sei mit allen Beteiligten im Gespräch und werde an einer „konstruktiven Lösung mitwirken“, sagte Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Umweltministerium, der taz. „Aber die COP innerhalb weniger Wochen oder Monate in Bonn auszurichten ist logistisch so gut wie ausgeschlossen. Es war schon mit 12 Monaten Vorlauf [wie 2017, d. Red.] kaum machbar.“

Für eine COP braucht es nicht nur eine große Versammlungshalle, sondern mehrere zehntausend Quadratmeter für Delegationsbüros, große und kleine Verhandlungsräume, Dolmetscher, Nebenveranstaltungen, Ausstellungsräume und ein Pressezentrum. Dazu kommen 20.000 bis 30.000 Hotelbetten und Verpflegung und ein umfassendes Sicherheitskonzept nach UN-Standard. Und all das muss jemand bezahlen. Die COP in Bonn 2017 kostete den Bund 117 Millionen Euro.

Für die Ausrichtung der Konferenz gibt es zwei Möglichkeiten: den geplanten Termin (2. bis 13. Dezember) zu halten und einen anderen Ort zu suchen. Dabei werde man „vor allem auf die UN-Standorte blicken“, heißt es vom UNFCCC. Das hieße: New York, Genf, Nairobi, Bangkok, Wien, Paris oder Bonn, wo es die nötige Infrastruktur gäbe. Ob ein Treffen dort möglich wäre, wird derzeit mit Hochdruck abgeklärt. Es gibt Stimmen, die meinen, es laufe auf New York oder Genf hinaus. Andere sagen, alles sei noch offen.

Am Donnerstagabend wurde auch Madrid als neuer Austragungsort ins Spiel gebracht. Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez habe dem chilenischen Präsidenten Sebastián Piñera seine Kooperation zugesagt, und dies beinhalte auch, die COP25 genannte, zweiwöchige Konferenz gegebenenfalls in Spaniens Hauptstadt abzuhalten, teilte die Regierung mit.

Abgelehnt jedenfalls wird die Variante, die Konferenz ins Internet zu verlagern. Man experimentiere durchaus mit Telekonferenzen „bis zu 200 Teilnehmern“, heißt es von der UN. Aber ob eine weltweite Tele­konferenz überhaupt juristisch bindende Abmachungen schließen könne, sei nicht klar. Außerdem lehre die Erfahrung aus 25 Jahren COPs: Für die echten Deals braucht es Menschen, die sich kennen, vertrauen und auch mal in Ruhe einen Kaffee zusammen trinken können.

Abgespeckte Variante

Eine Variante wäre eine „abgespeckte“ COP, heißt es ebenfalls von den Planern. Man könnte sich auf die zentralen Punkte konzentrieren: Das wäre eine Regelung für den internationalen Handel mit CO2-Emissions-Rechten, mit denen sich nach 2020 die Industrieländer teilweise von Reduktionen freikaufen könnten. Das Thema ist höchst umstritten, vor allem Brasilien sträubt sich bisher gegen eine Regelung. Wichtig wäre dazu noch die Verabschiedung eines Budgets für das UNFCCC, damit das Sekretariat die nächsten zwei Jahre weiterarbeiten kann.

Die andere Möglichkeit: Eine zeitliche Verschiebung. So könnte die Konferenz ent­weder in einem für Frühjahr 2020 geplanten Vortreffen in Italien aufgehen – oder aber im Juni in Bonn. Da treffen sich regel­mäßig die „Nebenorganisationen“ der UNFCCC zur „kleinen COP“. Daraus würde dann eine „große“ COP – bliebe nur noch zu klären, wer da die Leitung hätte (und bezahlen müsste): Polen als Gastgeber der 2018er Konferenz in Kattowitz, Großbritannien als Ort der wichtigen und großen COP 2020 oder die Deutschen als UNFCCC-Gastland?

2020 jedenfalls sollte so ein Drama wie in Santiago nicht passieren. Bei der nächsten Konferenz in Glasgow geht es um viel: Fünf Jahre nach dem Pariser Abkommen müssen die Staaten neue Klimapläne vorlegen, die CO2-Emissionen müssen endlich sinken. Bei aller aktuellen Aufregung um Santiago komme man vielleicht mit einem blauen Auge davon, hofft ein Mitglied der deutschen Delegation: „Wenn es in den letzten Jahren eine COP gab, auf die man verzichten konnte, dann diese.“

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