Armenien-Resolution der USA: Politik machen mit Völkermord

Den Genozid an den Armeniern beim Namen zu nennen ist richtig – folgt aber politischem Kalkül. Nicht nur in den USA, auch in Europa.

Das Denkmal Tzitzernakaberd bei Jerewan, davor stehen zwei Personen

Das Tzitzernakaberd Denkmal bei Jeriwan erinnert an den Völkermord durch das osmanische Reich Foto: Hakob Berberyan/ap

Es ist, gelinde gesagt, mehr als ­unappetitlich. Da verabschiedet das US-Repräsentantenhaus am Dienstag mit satter Mehrheit eine Resolution, die den Völkermord an den ArmenierInnen im Osmanischen Reich 1915 auch als solchen anerkennt.

Eine überraschende Einsicht. Man erinnert sich noch gut an das Jahr 2006, als der damalige US-Botschafter in Armenien, John Marshall Evans, von seinem Posten abgezogen wurde, nachdem er genau diese Anerkennung gefordert hatte. Dass Ankara seinerzeit verbal interveniert hatte, ist ein offenes Geheimnis.

Heute weht, wie das Votum zeigt, ein anderer Wind. Die Gründe sind offensichtlich. Denn es geht vor allem darum, die Türkei, die sich bis heute weigert, den Massenmord an den ArmenierInnen als Genozid beim Namen zu nennen, für ihr jüngstes militärisches Vorgehen in Syrien zu strafen.

Aus (geo)politischem Kalkül heraus das Andenken an 1,5 Millionen Opfer zu instrumentalisieren ist schändlich und unwürdig, aber leider kein Alleinstellungsmerkmal der USA. 2012 stimmten die französische Nationalversammlung und der Senat für ein Gesetz, das die Leugnung jedes Völkermordes unter Strafe stellte. Der damalige Präsident Nicolas Sarkozy bangte um seine Wiederwahl und schielte daher auf die Stimmen von rund einer halben Million Diaspora-ArmenierInnen, die in Frankreich lebten.

Auch die Inszenierung des Auftritts von Kanzlerin Angela Merkel am Ehrenmal für die getöteten ArmenierInnen in Eriwan 2018 – zwei Jahre nach der Annahme einer entsprechenden Resolution im Deutschen Bundestag – folgte einer politischen Güterabwägung: Sie warf zwar einen Kranz ab, brachte jedoch das Wort „Genozid“ nicht über die Lippen. Recep Tayyip Erdoğan und der Flüchtlingsdeal ließen grüßen.

Im Fall der USA ist noch unklar, wie der Senat mit der Resolution umgehen wird. Das Gleiche gilt für Präsident Donald Trump. Leider stehen hier weitere Geschmacklosigkeiten zu befürchten – wahrscheinlich via Twitter.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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