Nacktheit in Serien: Ein Sack voll Penisse

„Euphoria“ ist expliziter als jede Serie vor und vielleicht auch nach ihr: Entwicklungen auf dem Streaming-Markt könnten zu mehr Prüderie führen.

Filmstill aus der Serie Euphoria

Hier gibt es – ausnahmsweise – nichts zu sehen: Szene aus der Serie „Euphoria“ Foto: Sky

Sprechen wir – aus gegebenem Anlass – über Penisse. Penisse im Fernsehen. Im amerikanischen Fernsehen. Zu dem gegebenen Anlass gleich mehr. Zunächst ein kurzer Rückblick. Man muss schon der Generation Z angehören, also um die Jahrtausendwende geboren sein, um sich nicht mehr zu erinnern.

So lange ist es nämlich noch gar nicht her, da war die Prüderie der Amerikaner in ihren Filmen und Fernsehserien augenfällig. Und wir reden hier nicht von dem (1967 abgeschafften) Production Code, der „Obszönität in allen Formen“ verbot – und Film­ehepaare verpflichtete, in getrennten Betten zu schlafen. Sex gab es in amerikanischen Serien durchaus.

Aber stets gab es da dann eben auch dieses auffällig unauffällig um die Lenden der Darsteller drapierte Bettlaken. Und so war es selbst dann noch, wenn es in einer Serie thematisch so explizit um das Körperliche gehen sollte wie (ab 1998) in „Sex and the City“. Zum Vergleich: In der deutschen Serie „Kir Royal“ konnte man schon 1986 das Gemächt des Hauptdarstellers Franz Xaver Kroetz sehen, wenn dieser nur morgens aus dem Bett sprang. Nicht dass das unbedingt notwendig gewesen wäre, er hätte ebenso gut Boxershorts tragen können. Aber es war offenbar einfach: egal.

Und dann kam also, erst mit den US-Kabelsendern (HBO & Co) und dann den Streamingdiensten: die Freiheit – der Mauerfall in Sachen Unterbekleidung. „Game of Thrones“ (ab 2011), jene erfolgreichste Serie in der Geschichte des Senders HBO, hieß bei manchen Zuschauern auch schlicht: „Tits & Dragons“.

„Euphoria“ bietet mehr als nur Penisse

Die Serie wartete mit zahllosen entblößten weiblichen Ober- und Unterkörpern auf – während die männlichen Recken sich full frontal noch zurückhielten. Das sollte sich bei HBO erst mit „The Deuce“ (ab 2017) ändern, angesiedelt in der New Yorker Pornoszene der 1970er Jahre.

Jetzt zu dem gegebenen Anlass. Achtung: Nie zuvor gab es im amerikanischen Fernsehen so viele Penisse – ob groß oder klein, erigiert oder nicht – zu sehen wie in der auch aus anderen Gründen sehr sehenswerten (HBO-)Serie „Euphoria“, die auf Sky zu sehen ist.

„Euphoria“ steht in einer Traditionslinie mit Filmen wie Jonathan Kaplans „Over the Edge“ (1979) und Larry Clarks „Kids“ (1995) und porträtiert eine gelangweilte Generation (Z), die sich in der unendlichen Ödnis der amerikanischen Suburbia besagte Langeweile mit Drogen, BDSM-Fan-Fiction und Sexverabredungen mit Familienvätern eben nicht vertreibt.

Die Vorlage kommt – einmal mehr – aus Israel, adaptiert hat sie der Barry-Levinson-Sohn Sam Levinson, zu den Produzenten zählt der Rapper Drake. Hauptdarstellerin und Off-Erzählerin ist – ausgerechnet – das Disney-Gewächs Zendaya. Disney will, ebenso wie Apple, im Streaminggeschäft künftig groß mitmischen. Streaming ja, aber „familienfreundlich“, lautet beider Devise.

Das also wird es bei und mit ihnen nicht geben: so eine kleine Penis-Anatomielehre, wie sie „Euphoria“ am Anfang der zweiten Folge zelebriert, wenn die Kamera sich durch die Umkleide der High-School-Football-Mannschaft bewegt und die Großaufnahmen durchaus nicht den Gesichtern gelten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.