Aktionswoche von Extinction Rebellion: Ungehorsam anschlussfähig gemacht

Viele Protestler haben jetzt ihre ersten Erfahrungen in zivilem Ungehorsam gemacht. Es gibt viele Pro und viele Contras. Ein Wochenkommentar.

Aktivisten der Klimabewegung Extinction Rebellion blockieren während ihrer Aktionswoche «Berlin blockieren» den Kreisverkehr am Großen Stern an der Siegessäule während ein Aktivist jongliert.

Ein Aktivist jongliert: entspannte Blockade am Großen Stern der Extinction Rebellion in Berlin Foto: picture alliance/Christophe Gateau/dpa

BERLIN taz | Es ist ja unter Linken gerade ein bisschen in Mode, die neue Bewegung Extinction Rebellion (XR) zu kritisieren. Einige Punkte sind wohl auch berechtigt, etwa die Kritik an der übertriebenen Datenerhebung unter potenziellen „Rebellen“ im Zuge der Vorbereitungen der Berliner Aktionswoche. Anderes, etwa die Behauptung, XR sei eine esoterische, von „oben“ gesteuerte Sekte, die den Verstand vernebele, wie etwa die Altlinke Jutta Ditfurth per Twitter warnte, ist kaum nachzuvollziehen, wenn man in dieser Woche in Sachen #Berlinblockieren unterwegs war.

Natürlich sind die roten Kutten, die als theatralischer Trauerzug durch Blockaden schreiten und Endzeitstimmung verbreiten, nicht jedermanns Geschmack. Aber sie sind nur ein Splitterchen: Der Protest ist so bunt, man sieht so viele Ausdrucksformen, Kostüme, gemalte und geschriebene Botschaften – das ist das Gegenteil von Sektenhaftigkeit. Und an der zentralen Botschaft der Proteste – der Sorge um das Überleben auf diesem Planeten und der Kritik am Nichthandeln der Politik – kann ja wohl von linker Seite kein Zweifel bestehen.

Auch das XR-Credo der absoluten Gewaltfreiheit mag aus der Perspektive der reinen linken Lehre kritikwürdig – da staatstragend – sein. Aber wer gesehen hat, wie sich grauhaarige Omas Seite an Seite mit TeenagerInnen von der Straße tragen lassen, wer gehört hat, wie PassantInnen mit AktivistInnen über ihre Zukunftsängste und -sorgen sprechen, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es genau diese Gewaltfreiheit ist, die den Protest anschlussfähig macht für Menschen, die bislang nicht oder wenig über ihren Tellerrand geschaut haben.

Viele Protestler, BerlinerInnen und NichtberlinerInnen, haben in dieser Woche ihre ersten Erfahrungen in zivilem Ungehorsam gemacht. Dabei haben einige auch gelernt, dass die Polizei nicht immer so freundlich ist wie man selbst ihr gegenüber: Wenn es dem „Freund und Helfer“ reicht, kann er eben auch Schmerzgriffe.

Mehr geschafft als viele andere Bewegungen

Auch wird die Bewegung am Ende der Woche, so viel Prophetie sei erlaubt, keines ihrer drei Ziele erreicht haben: Die Bundesregierung wird keinen Klimanotstand ausrufen, sie wird keinen Klimaplan vorlegen, der bis 2025 die CO2-Emissionen auf null senkt, sie wird auch keine BürgerInnenversammlung einberufen, um dafür notwendige Maßnahmen zu beschließen.

Allerdings sollte sich die nicht gerade erfolgsverwöhnte Linke hüten, XR daran zu messen. Denn diese Bewegung hat jetzt schon mehr geschafft als viele andere vor ihr. XR ermutigt sehr viele Leute, die private Komfortzone zu verlassen und sich zu engagieren. Das wiederum bringt viele andere Menschen zum Nachdenken. Das alles reicht zwar noch nicht – aber es ist ein Anfang.

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