Die Bienen schwärmen aus

Nach Räumung der meisten Brücken verlegen sich die Klimarebell*innen von XR auf dezentrale Aktionen

Von Susanne Memarnia

Donnerstagmorgen halb zehn ist Frühstückszeit bei Extinction Rebellion (XR) auf der Marschallbrücke. Jemand hat Kartons mit Brot, Äpfeln und Aufstrich mitgebracht. Eine Frau gießt sich heißen Tee ein und hockt sich auf ihre Isomatte mitten auf der Fahrbahn. Die Cousins Carlo und Wanja rollen ihre Schlafsäcke ein. „Die Nacht war ruhig, es gab keine Probleme mit der Polizei“, erzählt der 18-jährige Carlo. Das Wetter sei zwar schlechter gewesen als in der ersten Nacht, aber trotzdem hätten rund 150 AktivistInnen auf der Brücke übernachtet. „Wir gehen uns ein bisschen ausruhen und Sachen trocknen im Camp“, ergänzte Wanja, 24. Seine Eltern seien jetzt da zur Ablösung. „Unsere ganze Familie ist aus Hildesheim angereist.“

Die Marschallbrücke in Sichtweite von Reichstag und Regierungsviertel war in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch besetzt worden. Am Mittwoch kamen weitere Brücken hinzu: Mühlendamm, Jannowitz, Oberbaum – bis zum Morgen waren jedoch alle von der Polizei geräumt. Ersatzweise sollte dann die Karl-Liebknecht-Brücke am Dom blockiert werden – doch die Blockade hielt nicht mal eine Stunde.

Wanja und Carlo lassen sich nicht entmutigen. „Klar, diese Brücke hier wird nicht geräumt, weil sie nicht so wichtig ist für den Verkehr“, vermutet Carlo. Tatsächlich merkt man hier nichts vom Verkehrsinfarkt. Auch die 20 Polizisten am Rande sehen entspannt aus. Ein Fahrstreifen ist für Fußgänger und Radfahrer frei. Junge Frauen verteilen Flugblätter mit einer Erklärung, wer XR ist und was sie wollen. Eine ältere Passantin sagt im Vorbeigehen zu ihrer Begleitung: „Ich versuche ja jetzt auch, mit weniger Plastik einzukaufen, aber das ist gar nicht so einfach.“

Tanzen auf dem Ku’damm

Mehr Publikum, das es zu überzeugen gilt, hatten die AktivistInnen am Mittwochnachmittag am Ku’damm. Die Jugendorganisation von XR wollte die Einkaufsmeile an der Kreuzung Jo­achimstaler Straße ab 16 Uhr blockieren. Daraus wurde erst einmal nichts, die Polizei ließ die Versammlung von rund 100 Menschen nicht auf die Fahrbahn. Dafür wuchs die Menge auf dem Bürgersteig, manche tanzten, andere saßen herum und warteten, ob noch etwas passieren würde. Zwei Stunden später war es soweit: Der Ku’damm wurde besetzt. Auf Twitter waren am Abend Bilder zu sehen, die Hunderte Menschen auf der Kreuzung zeigen. Gegen 22 Uhr gab XR jedoch bekannt, dass man die Blockade beenden würde.

Donnerstagmittag verkündete XR dann per WhatsApp die Strategie „Bienenschwarm“. Kleine Aktions- und Bezugsgruppen sollten übers Stadtgebiet zu dezentralen Aktionen ausschwärmen. Und so passierte es: Neun AktivistInnen klebten sich am Konrad-Adenauer-Haus an. Per WhatsApp folgten weitere Aufrufe zu Blockaden an der Amerika-Gedenkbibliothek und zum Hermannplatz zu kommen.

Mit Blick auf den Anschlag in Halle baten die Organisatoren allerdings, „heute auf Die-ins und Trauermärsche für das Klima und ähnliche Aktionen zu verzichten“.