Vorstoß für liberalere Drogenpolitik: Bremen soll vorausgehen

Der Paritätische Bremen will illegale Drogen für die KonsumentInnen entkriminalisieren. Zuletzt scheiterte das am Widerstand der SPD.

Polizeifund von Drogen

Drogenpoltik macht in Bremen die Polizei Foto: Julian Stratenschulte/dpa

BREMEN taz | Der Paritätische macht sich in einem am Montag veröffentlichten Positionspapier für eine liberalere Drogenpolitik stark. Bremen solle bundesweit „eine Vorreiterrolle“ einnehmen, verlangte Verbandschef Hermann Schulte-Sasse (parteilos), der bis 2015 Gesundheitssenator war.

Cannabis soll an Erwachsene kontrolliert abgegeben werden und zum Eigenbedarf auch legal angebaut werden dürfen. Der Konsum von Kokain oder Heroin soll ohne strafrechtliche Folgen für KonsumentInnen bleiben. Außerdem fordert der Paritätische, einen Drogenkonsumraum und eine Spezial­ambulanz für Diamorphin, also die Behandlung von Drogenabhängigen mit reinem Heroin. Bisher wird in Bremen nur der Ersatzstoff Methadon vergeben.

Ferner möchte der Wohlfahrtsverband das „Drug Checking“ etablieren, um psychoaktive Substanzen vor dem Konsum auf gefährliche Beimischungen untersuchen zu können. Denn oft ist vor allem die Streckung der Droge auf dem Schwarzmarkt für Folgeschäden bis hin zum Tod drogenkranker Menschen verantwortlich.

Und schließlich soll nach dem Willen des Paritätischen mehr Geld in Jugendarbeit, Drogenberatung und Suchthilfe investiert werden – und nicht mehr in „Vertreibungspolitik“, wie Regine Geraedts vom Verbandsrat des Paritätischen sagte. Ihr Vorwurf richtete sich an SPD-Innensenator Ulrich Mäurer – genannt wurde der aber nicht.

Wolfgang Luz, Vorstand Paritätischer Wohlfahrtsverband

„Wir hatten schon viele Koalitionsverträge, in denen gute Dinge standen“

Mit seinem 25-seitigen Positionspapier liegt der Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege, der über 200 Mitgliedsorganisationen mit rund 17.000 Beschäftigten hat, zwar auf Linie des rot-grün-roten Koalitionsvertrages – „mit Freude“ habe man den gelesen, sagt denn auch Wolfgang Luz, der Vorstand des Paritätischen –, den Vorwurf, der Verband hinke Rot-Grün-Rot hinterher, lässt er aber nicht gelten. Man sei vielmehr Ideengeber und Kontrolleur. Das Vertrauen darin, dass die Landesregierung ihre eigene Geschäftsgrundlage nun auch umsetzt, ist nämlich nicht so groß: „Wir hatten schon viele Koalitionsverträge, in denen gute Dinge standen“, sagt Luz.

Das wiederum ist ein Vorwurf an die SPD, die bei der Vorstellung des Forderungskataloges aber ungenannt davonkommt. In der letzten Legislaturperiode scheiterte etwa ein wissenschaftlicher Modellversuch zur kontrollierten Abgabe von Cannabis am Widerstand der SPD, die laut dem rot-grünen Koalitionsvertrag 2015 dafür gewesen war. Bremen dürfe „keine Insel werden“, sagte Mäurer im vergangenen Jahr dann, als es darum ging, ob Bremen bei der Entkriminalisierung von Cannabis ein Vorreiter sein will. Der Innensenator verwies stattdessen auf die Bundesebene, wo die Sozialdemokraten zwar mitregieren, aber am Widerstand der Union scheitern.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO stufe Cannabis nicht mehr als gefährliche Droge ein, sagt der Mediziner Schulte-Sasse nun. Der Konsum erfahre gesellschaftlich „eine verschwiegene Akzeptanz“. Die Mehrheit aller Drogendelikte, mit denen sich die Polizei befasse, beziehe sich aber auf Cannabis: „Das richtet mehr Schaden an als die Substanz selbst.“ Das steht fast wortgleich im aktuellen Koalitionsvertrag. Für 2018 weist die polizeiliche Kriminalstatistik unter Punkt „Rauschgiftdelikte“ 2.798 „Konsumentendelikte“ aus, aber nur 325, die unter „Handel und Einfuhr“ fallen.

Laut einer Berechnung des Senates von 2017 kostet ein Hafttag in Bremen das Land 140,75 Euro, macht 51.370 Euro im Jahr. Allein für Gefangene, die gemäß dem Betäubungsmittelgesetz verurteilt wurden, kamen da laut Paritätischem Haftkosten von 1,75 Millionen Euro zusammen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.