Was aus der Flüchtlingshilfe wurde: Die große Solidaritätswelle

Vier Jahre nach dem großen Willkommen für die Flüchtlinge ist von der Hilfswelle immerhin eine feste Einrichtung für Bedürftige geblieben.

Unter einem Schild "Spendenannahme" halten zwei Frauen Kleidungsstücke hoch.

Als noch richtig viele halfen: Lager von Hanseatic Help Foto: dpa

Ich stehe inmitten der Dinge und denke an den Sommer vor vier Jahren. An das große Helfen. Die Messehallen, in denen mehr als tausend Menschen untergebracht waren. An einen Fußball, der hoch hinter dem Zaun im Himmel hin und her hüpfte. Er war ein Hinweis auf die Menschen, die in der Halle wohnten. Die Menschen, für die wir sammelten.

Die Halle daneben war voll von Kartons, voll von Menschen, die spendeten. Alle wollten abgeben, alle wollten mitmachen. Ich stand mit anderen Menschen zusammen in einer Kette. Hände reichten mir Kartons, ich reichte Kartons weiter in Hände, die sie weitergaben. Die Kette hätte auch mit viel weniger Menschen funktioniert.

Wir waren so viele. Aber alle wollten dabei sein bei diesem Ereignis, Spätsommer 2015, als viele Geflüchtete kamen. Als die Atmosphäre voll war von Helfen, Verschenken, als in vielen Menschen eine kleine Sonne brannte, die sie strahlen ließ.

Damals fragte ich mich auch, wer eigentlich wem half. Die Helfenden den Geflüchteten oder halfen sie auch ein bisschen ihrem eigenen Gefühl? Aber vielleicht ist das auch nicht wichtig, solange das Helfen jemandem hilft. Damals hing in der Halle sogar ein Hochzeitskleid als Spende, als wäre alles möglich für die Menschen, die hier ankamen.

Nicht nur AfD-Wähler

Und jetzt, vier Jahre später habe ich mich in das verirrt, was aus dem Helfen von damals geworden ist. Vier Jahre, in denen die Stimmung im Land gegen die Geflüchteten umschlug, in denen eine Partei vor allem mit Stimmungsmache gegen die Menschen, die in das Land fliehen, zur derzeit größten deutschen Oppositionspartei wurde. In denen aus Helfenden „Gutmenschen“ wurden und sich Gutes tun in Schwäche verkehrte.

Ganz plötzlich stehe ich nun vier Jahre später in einem Raum, der wie eine verdichtete Metapher dafür ist, wie es auch weitergehen kann. Es ist, als sollte ich das hier sehen. Als wäre ich mit einer Zeitkapsel hierhin gebeamt worden:

Wie schade, denke ich, dass nicht viel mehr gesellschaftliche Aufmerksamkeit auf dem hier liegt. Auf denen, die weitergemacht haben

Eben wollte ich oben vom Altonaer Balkon schnell nach unten zur Großen Elbstraße gelangen, zu einem Termin. Ich suchte eine Abkürzung, lief eine schmale Treppe hinunter. Auf den Treppenstufen saß ein Grüppchen, das zusammen lachte. Etwas überrascht rückten sie zur Seite, als ich neben ihnen hinunterging.

Dann sah ich, dass die Treppe nicht zur Straße führte, sondern hinein in ein Gebäude. „Könnte ich da durch zur Straße gehen?“, fragte ich. Das Grüppchen nickte. „Danke, ich schaue auch nichts an.“ Sie zuckten mit den Schultern, lachten: „Wir sind eine Hilfsorganisation.“ Das Lachen von Menschen, die großzügig sind, deren Herz offen ist.

Ich lief durch ihr Lager, und dann blieb ich stehen: um mich Wagen, in denen sich Schulranzen türmen, Kleider, beschriftet nach Größe, Matratzen, Körbe. Eine Welt der gebrauchten Dinge, dazwischen Menschen, die sortierten, Ältere, Jüngere. Dann erinnerte ich mich: So haben wir geordnet, so habe ich geordnet. Damals in den Messehallen. Das hier ist „Hanseatic Help“, der Verein, der aus der Hilfsaktion entstanden ist.

Einfach machen

Vier Jahre nach dem Sommer gibt es sie noch immer, die, die sortieren, die sich engagieren, helfen. „Einfach machen“, steht hier an den Wänden, auf den Flyern. Aus dem Provisorium von damals ist etwas Festes, Großes geworden. Mittlerweile unterstützt der Verein viele Bedürftige in Deutschland, Geflüchtete, Obdachlose, Kinderheime, Frauenhäuser und auch Krisenregionen im Ausland. Aus dem Helfen für die Geflüchteten hat sich ein Helfen für viele entwickelt.

Wie schade, denke ich, dass nicht viel mehr gesellschaftliche Aufmerksamkeit auf dem hier liegt. Auf denen, die weitergemacht haben, die für das Miteinander etwas tun.

Ich laufe hinaus aus der Halle. Die Abkürzung durch das Gebäude hat mir geholfen, schneller zur Straße zu kommen, rechtzeitig zu meinem Termin. Später denke ich noch an den Ort zurück. Es gibt mir Kraft, das hier zu sehen. Dass das Helfen vor vier Jahren an anderen Orten weitergeht. Dass es Menschen gibt, die einfach machen, und nicht darüber reden, wie schwierig das Machen ist.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Christa Pfafferott schreibt die Kolumne "Zwischen Menschen" für die taz. Sie wurde zum Dr. phil. in art. an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg promoviert. Sie hat zuvor Regie an der Filmakademie Baden-Württemberg studiert und die Henri-Nannen-Journalistenschule absolviert. Sie lebt als Autorin und Regisseurin in Hamburg.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.