Vorkaufsrecht in Berlin-Kreuzberg: Wider die Spekulation

Erneut hat Friedrichshain-Kreuzberg das Vorkaufsrecht gezogen – doch dieses Mal will der Bezirk nicht den spekulativen Kaufpreis zahlen. Geht das?

Alter Bekannter: Proteste für die Bäckerei Filou, 2017 Foto: Christian Mang

Worum geht es?

Der Gebäudekomplex ist ein alter Bekannter im Kreuzberger Kampf gegen Verdrängung: Als die im Erdgeschoss befindliche Bäckerei Filou Anfang 2017 gekündigt wurde, löste das einen Sturm der Entrüstung aus. Am Ende lenkten die beiden Eigentümer, zwei Lononer Investoren ein, das Filou durfte bleiben – jetzt aber wollten sie die drei Häuser inklusive Bäckerei verkaufen. An eine Briefkastenfirma in Luxemburg, die zur Immobiliengruppe NAS Invest gehört. Das will der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg verhindern, indem er das bezirkliche Vorkaufsrecht ausübt.

Der Bezirk will nicht zum Kaufpreis von elf Millionen, sondern zum Verkehrswert von acht Millionen kaufen. Ist das erlaubt?

Das ist nicht ganz klar. Grundsätzlich darf das Vorkaufsrecht zum Verkehrswert ausgeübt werden, wenn der Kaufpreis diesen deutlich überschreitet. In Berlin wurde das schon zwei Mal versucht: 2015 in Tempelhof-Schöneberg und 2016 für ein Haus in der Glogauer Straße 6. Beide Fälle wurden in erster Instanz vom Gericht kassiert. Die Richter begründeten die Entscheidung damit, der Bezirk dürfe nur dann zum Verkehrswert kaufen, wenn der aufgerufene Kaufpreis mehr als 25 Prozent über dem Verkehrswert liege – in den fraglichen Fällen waren es aber nur 23 beziehungsweise 17 Prozent.

Warum sollte jetzt erfolgreich sein, was schon zwei Mal nicht geklappt hat?

Im aktuellen Fall liegt der Kaufpreis von elf Millionen Euro mehr als 37 Prozent über dem Verkehrswert von acht Millionen Euro – die in den anderen Verfahren festgelegte Grenze von 25 Prozent ist damit überschritten.

Dann ist rechtlich alles klar?

Nein. Der Verkehrswert wurde durch das Bezirksamt berechnet – es ist auch möglich, dass die Berechnung vor Gericht angefochten wird. Gerade die Tatsache, dass zu dem Gebäudeensemble nicht nur zwei Wohnhäuser gehören, sondern auch ein Neubau mit Ferienwohnungen, macht die Berechnung des Verkehrswerts schwierig. „Wir haben uns trotz Unsicherheiten für diesen Weg entschieden“, sagt Florian Schmidt, Baustadtrat in Friedrichshain-Kreuzberg (Grüne). „Einerseits um weitere Verhandlungen zu ermöglichen, andererseits um deutlich zu machen, dass wir derart spekulativem Umgang mit Wohnraum einen Riegel vorschieben.“

Ist der bisherige Eigentümer denn gezwungen, jetzt auch wirklich zum Verkehrswert zu verkaufen?

Nein, er kann sich auch entscheiden, den Verkauf komplett zurückzuziehen. Dann bleibt erst mal alles, wie es ist. Theoretisch wäre denkbar, dass der Verkäufer in einem neuen Anlauf einen etwas niedrigeren Kaufpreis verlangt, der weniger als 25 Prozent über dem Verkehrswert liegt. Dann müsste der Bezirk, falls er wiederum das Vorkaufsrecht ausüben will, wohl den Kaufpreis zahlen.

Könnte der Eigentümer versuchen, die Gebäude stattdessen über einen sogenannten Share Deal loszuwerden, also über den Verkauf von Firmenanteilen statt Häusern?

„Das wäre aus unserer Sicht eine klare Umgehung des Vorkaufsrechts“, sagt Florian Schmidt – sollte es dazu kommen, würde der Bezirk deswegen rechtlich dagegen vorgehen.

Der Verkauf an den Bezirk könnte also entweder durchgehen, vor Gericht landen oder ganz zurückgezogen werden. Gibt es noch eine Möglichkeit, was mit den Häusern passieren könnte?

Ja. Die Immobiliengruppe, die das Haus kaufen wollte, hat nämlich laut Bezirk signalisiert, dass sie eigentlich nur an dem Ferienwohnungsneubau Interesse hat und sich vorstellen könnte, die Wohnhäuser gleich weiterzuverkaufen. Auch dafür stehe die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Gewobag bereit, sagt Schmidt, die Preisvorstellungen seien hier „ganz vernünftig“. Möglicherweise wird also nachverhandelt.

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