Was der Klimastreik bringt: Streber, auf die Straße

So läufts im Leben: Man wünscht sich einen Generalstreik für den Klimaschutz – und bekommt ihn haarscharf nicht. Da hilft nur: Weiterwünschen.

Ein Mann schläft mit dem Kopf auf dem Bordstein

Schlafend und damit streikend ließe sich die Welt vielleicht retten, brav im Büro sitzend nicht Foto: Unsplash/Joël de Vriend

Wenns doch öfter so wäre im Leben: Man wünscht sich was – etwa hier in dieser taz-kolumne einen Generalstreik für endlich echten Klimaschutz – und ein paar Wochen später wird es heiß und fettig geliefert.

Tatsächlich ist es ja meistens so: Man wünscht sich was – und was bald darauf, wenn überhaupt, geliefert wird, heißt Klimastreik, sieht ein bisschen aus wie Klimastreik, ist aber nur eine stinknormale Demo, die keinem wehtun wird. Auch die taz macht mit, Ehrensache! Trotzdem lesen Sie heute diesen Text, heiß und fettig, und überhaupt auch sonst nicht geeignet, das Klima zu retten. Ist ja auf Papier gedruckt.

Klar, politischer, nicht tariflichen Zwecken dienender Streik ist in Deutschland – huch! – verboten. Dann geht’s natürlich nicht. Sorry, Kinder. Wir haben alles versucht, aber vor dem Gesetz waren uns die Hände gebunden.

Deshalb laufen seit Tagen auf allen Sender streberhafte Ratgeber rauf und runter: Wie sag ich’s meinem Chef? Darf ich Urlaub nehmen? Überstunden abbummeln? Die Mittagspause ausdehnen? Dreimal ja, falls – aber nur falls – Cheffe nichts dagegen hat. Einfach losgehen? Nee. Es ist also wie damals in der Schule, als man sich melden musste, um auf die Toilette zu dürfen. Erniedrigend. Dann lieber sitzen bleiben.

Was wünschen wir uns vom Traumboy Trudeau?

Wie bei vielen Wünschen, die mir in meinem Leben bisher so geliefert wurden, muss ich also auch hier, beim Klimastreik, sagen: Entspricht nicht ganz der Beschreibung im Katalog. Privat war das allerdings oft gar nicht schlecht, man lernt erst Demut und merkt dann: Wünsche, so drängend, zwingend, zehrend sie erst scheinen, sind immer nur glitzernde Reflexionen des Moments, Blubberblasen, oder, um es andersherum, besser und mit Nick Cave zu sagen: The tears you’re crying now are just your answered prayers. Erst wünscht man, dann weint man.

Oder, das kommt ja auch nicht selten vor, merkt, dass das, was man bekommt viel besser ist als das, was man wollte. Ich bezweifle allerdings stark, dass wir, also so als Gesamtmenschheit, in den Fluten der Polkappen sagen: Hey, eigentlich viel hübscher so, warum jahrelang der ganze Fuzz mit dem Klimaschutz? Den Infinity-Pool vor der Haustür hätten wir lieber schon früher gehabt. Die Chefs, die ihren Mitarbeitern am Freitag gnädig eine verlängerte Pinkelpause zum Streiken gewährt haben, werden dann wahrscheinlich lachend und trockenen Fußes in Helikoptern über uns kreisen.

Apropos wünschen und weinen: Ich stelle mir vor, wie die Leute, die den kanadischen Traumboy von einem Premierminister, Justin Trudeau, zurücktreten sehen wollen, heulen, wenn ihnen der Nachfolger auch nicht passt. Man muss sich nur mal die globale Auswahl an Regierungschefs anschauen, da ist viel Luft nach unten.

Sicher, nur weil es schlimmer immer geht, heißt das nicht, dass man es nicht trotzdem besser machen soll. Und ja: Blackfacing, also sich als weißer Mensch das Gesicht schwarz schminken, ist rassistisch und völlig daneben. Punkt.

Mehr Strafe schafft mehr Lüge

Aber erstens lernt vermutlich jeder unweigerlich in zwanzig Lebensjahren – so lange ist Trudeaus Faschings-Fauxpas her – einiges dazu. Zumindest diese Möglichkeit sollte jeder jedem einräumen, sonst wird’s irgendwann schwierig mit dem Zusammenleben. Zweitens geht’s in der Politik nicht um Unbeflecktheit (wer die will, kann in die Kirche gehen), sondern darum, ein paar Dinge zu verbessern. Ob das jemand schafft, ist bei Politikern meist recht gut messbar. Und drittens ist Kritik, auch an persönlichem Verhalten, natürlich trotzdem notwendig, damit sich was ändert, gesamtgesellschaftlich.

Ich frage mich nur, ob dieser unerbittliche Tonfall dabei hilft. Der fällt in der allgemeinen Debatte auf, nicht nur bei Trudeau. Beim kanadischen Premier regt jetzt viele auf, dass er nicht früher seinen Fehltritt öffentlich gemacht hat. Mal ehrlich, Leute: der Mutter, die bei jeder Schwindelei, bei jedem geklauten Keks Fernsehverbot und Hausarrest erteilt hat – hat man der freimütig alles gestanden? Das mag jetzt Küchenpsychologie sein, aber ich schätze, Angst vor Strafe schafft mehr Lügen und damit mehr Probleme, als nötig wären.

Womit ich wieder beim Klima bin. Das globale, meteorologische kann ich als Journalist nicht ändern. Das gesellschaftliche vielleicht ein bisschen schon. Deshalb riskier ich es zum Schluss und wünsch mir was: ein Klima, in dem jeder frei über seine Fehler sprechen kann. Ohne Angst, sofort gecancelled zu werden.

Mag sein, ich weine, wenn mir dieser Wunsch irgendwann frei Haus geliefert wird. Weil er nicht mehr passt, zu grell ausfällt oder was weiß ich. Aber ich glaube trotzdem, dass der einzige Weg nach vorne (und zurück in irgendwelche schrecklich besseren Zeiten geht’s ja sowieso nicht) dieser ist: wünschen, weinen, revidieren, neu wünschen. Immer wieder.

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