talk of the town
: Viel Rauch im Raum

Das Rauchen im Auto soll künftig verboten sein – soweit sich Kinder oder Schwangere darin befinden. Wäre es da aber nicht einfacher, gleich das Auto zu verbieten? Leider nicht

Rauchen beim Autofahren, dazu ein Sonnenuntergang: Geht es noch romantischer? Foto: fStop/Deepol/plainpicture

Von Ambros Waibel

Im Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm folgt „Verbot“ auf „Verböserung“. Diese ist eindeutig beschrieben („was böse macht“), jenes im Substantiv klar gefasst als „ein befehl, durch den etwas untersagt wird“. Als Adjektiv „verboten“ klingt es viel netter: „einem durch boten mittheilung machen“ – und in diesem Spannungsfeld bewegt sich die Sache noch heute.

Der demokratische Mensch reagiert unleidlich, wenn ihm die „weltliche Obrigkeit“ (Grimm) etwas verbietet – denn letztlich ist er die ja selber –, kann aber durch das allgemeine Laissez-faire der liberalen Gesellschaft auch leicht in eine Verböserung geraten, in welcher er seinem Nachbarn untersagen möchte, was ihn selbst schädigt oder in seinem moralischen Empfinden verletzt.

Aktuell geht es um eine Gesetzesinitiative, die mehrere Bundesländer am Freitag in den Bundesrat einbringen wollen. Wenn Schwangere und Kinder im Auto sitzen, sollen künftig traditionelle Rauchwaren tabu sein. Schwangere, die selbst rauchen, können allerdings im Rahmen der grundgesetzlich garantierten allgemeinen Handlungsfreiheit nicht daran gehindert werden, teilt das niedersächsische Gesundheitsministerium auf Anfrage mit.

Der gesellschaftlich interessantere Einwand kommt vom ADAC. Der verweist darauf, dass das Auto ein nichtöffentlicher Raum sei, in dem die Insassen selbstverantwortlich handeln sollten. Dabei verstünde es sich von selbst, dass man nicht rauche, wenn Kinder im Auto seien.

Anzumerken wäre hier, dass zuletzt ein Porsche Macan im Berliner Stadtteil Mitte nachgewiesen hat, welch zerstörerische Kraft die Überschneidung von vermeintlich nichtöffentlichem und öffentlichem Raum entfalten kann: Vier Menschen kamen ums Leben, weil der Fahrer die Kontrolle über sein SUV verlor. Die Porschewerbung für den Macan lautet übrigens: „Wir haben bewiesen, dass wir uns nichts diktieren lassen“ – eine klare Abgrenzung gegen jede Verbotskultur.

Das Auto sei ein nichtöffentlicher Raum, ist der Einwand des ADAC

Wo also beginnt, wo endet er, der nichtöffentliche Raum? Hat das Auto überhaupt noch irgendeinen Nutzen oder besser: Nichtschaden vorzuweisen als den des reinen Gefühls der Unantastbarkeit seines Nutzers? Und müssen wir insofern nicht, vom ADAC hier dankenswerterweise auf die richtige Spur gebracht, es einen unsozialen Raum nennen, einen Wutraum, in dem und mit dem der Einzelne genau die Regeln, die selbstverständlich sein sollten, tagtäglich außer Kraft setzt: nicht lärmen, nicht vergiften, nicht die eigene Stärke gegen Schwächere ausnutzen, nicht im grotesken Übermaß das allgemeine Straßenland für sich beanspruchen – und nicht zuletzt: nicht töten?

Anfang 2019 kamen in der Bundesrepublik auf 1.000 Einwohner 567 Pkws – ein historischer Höchststand, meldete am Dienstag Spiegel Online. Man wird diese Zahlen so interpretieren müssen, als dass es eben die wohl vielfältigste und öffentlichen Nahverkehr im Höchstmaß zur Verfügung stellende Gesellschaft in der deutschen Geschichte ist, auf die der Autofahrer soziopathisch reagiert, indem er sich aus ihr heraus in seinem Vernichtungsraum verschanzt. Dass das nicht so bleiben kann, ist klar; und zwar nicht nur, weil unser aller Lebensgrundlagen durch das gescheiterte Projekt Auto auf dem Spiel stehen; sondern auch in dem Sinn, dass man sich wirklich und ehrlich um die Autofahrer kümmern, sie als Bedürftige, als Schutz, Abenteuer, Selbstverwirklichung Suchende ernst nehmen muss – also letztlich als Kranke oder jedenfalls schwer Gekränkte.

Wäre ich regelmäßiger Autofahrer und Raucher – was als Kombination wunderbar-romantische Erinnerungen hervorruft –, ich würde sagen: Wenn ihr das Autofahren erlaubt, dann könnt ihr das Rauchen dort als deutlich kleineres Übel nicht verbieten. Als Gesellschaft müssen wir einen Weg finden, die ursprüngliche Bedeutung des Verbotenen lebendig zu machen: Wir müssen Boten werden, die Nachrichten überbringen und die gehört werden. Dafür braucht es Wissen, Selbstbewusstsein, Einfühlungsvermögen – eben das, was der ADAC vielleicht zu optimistisch für „selbstverständlich“ erachtet.