Benachrichtigungen auf dem Smartphone: Handy weg und aufgepasst

Wer ständig über verschiedene Kanäle Nachrichten auf seinem Handy erhält, lebt gefährlich. Denn die ständige Ablenkung macht unglücklich.

Ein Daumen tippt auf den Bildschirm eines Smartphones.

Was bringt das nächste Piepsen? Foto: dpa

Die Forscher hatten Recht. „Es ist wahrscheinlich, dass Sie, während Sie diesen Artikel lesen, eine Benachrichtigung auf Ihrem Smartphone erhalten“, schrieben sie in die Einleitung ihrer Studie. Eine? Es waren vier. Slack, WhatsApp, nochmal Slack, E-Mail. Ding, ding, ding. Damit komme ich locker auf den Durchschnitt, der kürzlich in einem Artikel im Fachjournal Computers in Human Behavior genannt wurde: Mehr als 60 Benachrichtigungen am Tag sind üblich. Warum das ein Problem ist, wissen wir ohnehin. Wir erleben den Teufelskreis täglich selbst.

Im psychologischen Jargon zusammengefasst: Zwischen Aufgaben zu wechseln, egal wie kurz, ist anstrengend und erhöht die kognitive Belastung. Je größer sie ist, desto leichter lassen wir uns von äußeren Reizen ablenken. Dazu kommt, dass wir Belohnungen lieben, am meisten solche, die neuartig und unerwartet sind. Genau das bieten Smartphone-Benachrichtigungen. Was bringt das nächste Piepsen? Es bleibt spannend.

Man kann sich das eigene Handy wie einen mobilen Spielautomaten vorstellen. Was dabei im Hirn passiert, stellen sich Forscher*innen wie folgt vor: Die erste Benachrichtigung setzt Glückshormone frei. Beim nächsten Piepsen schüttet das Hirn dann den Botenstoff Dopamin aus, der ein Gefühl der Erwartung erzeugt. Man greift fast reflexartig zum Gerät, wenn es summt. Je öfter das geschieht, desto höher die Dopaminzufuhr. Die Rezeptoren können mit der Flut nicht mehr umgehen und werden weniger. Es reicht ein winziger Reiz und man spürt ein riesiges Verlangen.

Die Studie fand eine erstaunlich einfache Methode, die Ablenkung zu reduzieren: Was, wenn die Benachrichtigungen in erwartbaren Intervallen eintrudeln, einmal pro Stunde oder dreimal am Tag?

Angst, etwas zu verpassen

Getestet wurde das an 250 Teilnehmer*innen, die zwei Wochen lang in verschiedene Gruppen eingeteilt wurden, Benachrichtigungen also entweder sofort, stündlich, drei Mal täglich gebündelt oder gar nicht erhielten. Sie durften zwar ihr Smartphone jederzeit benutzen, eine App regelte allerdings die Frequenz der Benachrichtigungen. Jene, die drei Mal am Tag Benachrichtigungen bekamen, gaben an, weniger abgelenkt zu sein und das Gefühl zu haben, die Kontrolle über ihr Telefon zu besitzen.

Eine Sache wurden die Studienteilneh­me­r*innen, die übrigens mehrheitlich aus indischen Männern bestanden, allerdings nicht los: die berüchtigte „Fear of Missing Out“ (FOMO), also die Angst, etwas zu verpassen. Sie war kleiner als bei jenen, die keine Benachrichtigungen erhielten.

60 sind es, wie eingangs erwähnt, durchschnittlich pro Tag. Hätten Sie das gedacht? Eine interessante Erkenntnis der Studie ist, dass Menschen diese Anzahl unterschätzen. Wir glauben, es sind 30, wünschen uns 10. Und wie viele Benachrichtigungen haben Sie erhalten, während Sie diesen Text gelesen haben?

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Journalistin und Autorin in Wien. Schreibt über Wissenschaft für den "Falter", kommentiert Politik für die "Presse". War zuvor Redakteurin bei "The Forward" in New York. "Versteckte Jahre. Der Mann, der meinen Großvater rettete" über ihre Familiengeschichte erschien 2018 im Paul Zsolnay Verlag, 2020 in englischer Übersetzung ("I belong to Vienna") bei New Vessel Press (New York). Von 2019 bis 2020 schrieb sie die Kolumne "Die Internetexplorerin" für die taz.

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