Herkunft von Tatverdächtigen: Transparenz ist kein Argument

Die Polizei soll die Nationalität von StraftäterInnen nennen, fordert NRW-Innenminister Herbert Reul. Gegen Populismus hilft das aber nicht.

Handschellen an den Händen eines nicht zu sehenden Menschen

JournalistInnen entscheiden selbst, was sie über StraftäterInnen preisgeben Foto: dpa

Das Motiv hört sich erst mal ganz ehrenwert an: Um „politischer Bauernfängerei vorzubeugen“, soll die Polizei in Nordrhein-Westfalen künftig die Nationalität von StraftäterInnen und Tatverdächtigen in ihren Meldungen gleich mitliefern. So sieht es eine Überarbeitung des Erlasses zur Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Polizei in NRW vor, den NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) vergangene Woche präsentierte. „Transparenz“ als „bestes Mittel“ gegen Populisten und Hetzer, die gerne Angst vor Kriminellen aus dem Ausland schüren.

Wenn es denn so einfach wäre. Ist es aber nicht. Die Sächsische Zeitung aus Dresden, Fast-Monopolblatt im Osten und Südosten des Bundeslandes, hatte schon 2016 in einer viel beachteten Aktion eine Art Dauerkennzeichnung bei ihrer Berichterstattung über Verbrechen und Straftaten eingeführt. Drei Jahre später scheint sich die Stimmung keinesfalls entspannt zu haben: AfD & Co. machen so wollüstig wie erfolgreich weiter mit ihrer Bauernfängerei.

Auch der Einwand, so könnten die aus dem populistischen Lager angefeindeten Medien zumindest den Vorwurf entkräften, sie würden „dem Volk“ Informationen vorenthalten und angeblich „die Wahrheit“ unterdrücken, zieht nicht.

Vielmehr hebelt ein solches Vorgehen eine Grundspielregel des Mediengeschäfts aus: JournalistInnen entscheiden nach überprüfbaren, professionellen Kriterien, welche Sachverhalte und Details für die Berichterstattung wichtig sind. Dazu gehört in begründeten Fällen natürlich, über Herkunft oder Nationalität von StraftäterInnen zu berichten. Das Bedürfnis, irgendjemandes Mütchen zu kühlen, gehört definitiv nicht dazu.

Alles bleibt beim Alten

Entsprechend engagiert war und ist daher auch die Diskussion im Deutschen Presserat. 2016 stellte der seine Ziffer 12 des Pressekodex, in der es um Diskriminierung geht, auf den Prüfstand. Um dann, zu Recht, alles beim Alten zu lassen. „In der Berichterstattung über Straftaten ist darauf zu achten, dass die Erwähnung der Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu ethnischen, religiösen oder anderen Minderheiten nicht zu einer diskriminierenden Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens führt. Die Zugehörigkeit soll in der Regel nicht erwähnt werden, es sei denn, es besteht ein begründetes öffentliches Interesse.“ Das bleibt und sollte auch weiter so bleiben.

Medien­profi, bringt regelmäßig Unordnung in die aufgeräumte Medienwelt.

Der Presserat hat im Zusammenhang mit Reuls Vorstoß – der übrigens bei Reuls niedersächsischem Amtskollegen von der SPD auf Abscheu und Empörung stößt – jetzt auch nochmal darauf hingewiesen: Selbst wenn die Polizei oder andere Behörden entsprechende Angaben machen, ist das kein Freibrief für Medien, diese zu übernehmen.

Was bleibt, ist der Verdacht, Reuls Initiative könnte genau das sein, was zu bekämpfen sie vorgibt: Bauernfängerei.

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2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"

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