Basketball in China: Ganz großer Sport

Das Spiel kam mit dem YMCA, dem Verein der jungen christlichen Männer nach China. Auch Mao mochte Basketball.

zwei Basketballer springen zum Korb

2,29 Meter groß, chinesische NBA-Ikone: Yao Ming Foto: reuters

China ist ziemlich groß. Von Schanghai im Osten bis Ürümqi, der Hauptstadt der Provinz Xinjiang im Westen, sind es knapp 4.000, von Harbin in Heliongjiang im Norden bis Shenzhen in Guangdong im Süden rund 3.400 Kilometer (zum Vergleich: das entspricht in etwa der Strecke von Oslo nach Lissabon). Nirgendwo auf der Welt ist Basketball populärer als in China. 1,386 Milliarden Menschen leben in diesem Land und 300 oder 400 Millionen von ihnen, je nach Quelle, spielen Basketball.

Woran liegt das überhaupt, dass so viele Chinesen so vernarrt in das Spiel sind? Und warum ist es ausgerechnet Basketball? Mit diesen Fragen im Gepäck bin ich in den vergangenen acht Jahren rund zwanzigmal nach China gereist. Ich wollte die Basketball-Begeisterung verstehen. Und habe mich des Öfteren verlaufen. Und habe dabei wirklich überall, wo ich war, Menschen Basketball spielen sehen.

Überall in den Städten und auf dem Land hängen Körbe und gibt es Plätze. In den Betrieben und den Unis, auf den Plätzen, in den Parks. Viel mehr Männer als Frauen und viel mehr Junge als Alte werfen und dribbeln – und alle sind mit unglaublicher Begeisterung dabei. Und erzählen einem gerne, woher diese Liebe kommt.

Das Spiel kam mit dem YMCA, erklären sie, dem Verein der jungen christlichen Männer, nach China. Basketball wurde von den Missionaren als ein Medium für Dialog eingesetzt. Es wurde über die Jahre ein Spiel der Volksarmee, Mao mochte es, heißt es. Basketball sei einfach und brauche wenig Platz, sagen sie. Seit den achtziger Jahren zeigt das staatliche Sportfernsehen CCTV 5 die Spiele der US-amerikanischen Profiliga NBA; und seitdem sich Yao Ming, der chinesische Riese (2,29 Meter), stellvertretend für alle Chinesen dort durchsetzte (unbedingt dazu den Dokumentarfilm „The Year of Yao“ schauen), laufen bei CCTV 5 während der Saison jeden Tag die Spiele rauf und runter.

Für das global agierende Unternehmen NBA ist China der ausländische Markt, dementsprechend werden die Fantasien gefüttert. Das klappt ganz ausgezeichnet, gerade die jungen Leute himmeln die Stars der Liga an und imitieren sie auf den Freiplätzen. Die wenigsten von diesen Einzelkindern haben jemals einen Trainer gehabt, der ihnen die Grundlagen des Spiels vermittelt hätte. Ihre „Trainer“, so erzählen Habitus und Kleidung, sind die Stars der NBA, und man meint, Yao Ming, den chinesischen Godfather des Spiels, über ihr Tun wachen zu sehen. So viel ist zu verstehen oder zu enträtseln.

Redundant drill-­orientiert und konservativ

Warum jedoch Basketball, wie auch Musik und Kunst, keine wichtigere Rolle an den Schulen spielt – obwohl sich alle Gesprächspartner das wünschen; und warum das chinesische Sportsystem mit seinen Sportschulen methodisch und didaktisch, vorsichtig gesagt, so redundant drill-­orientiert und konservativ arbeitet – obwohl sich doch alle Gesprächspartner Modernisierung wünschen; und warum die lokale Profiliga CBA ein schwieriger Abklatsch der NBA ist, in der die importierten Amerikaner im Schnitt 70 Prozent aller Punkte im Spiel machen (müssen) und alle mit halb angezogener Handbremse spielen – obwohl sich alle Gesprächspartner eine an europäischen Maßstäben angelegte sportlichere Liga wünschen; warum das alles so ist und einfach immer so weiterzulaufen scheint, das verstehe ich bis heute nicht.

Ich befürchte, dass mir da auch nur bedingt die bewandertsten Sinologen helfen können. Denn ich beginne zu ahnen, dass Nichtverstehen der erste wichtige Schritt zum Verstehen Chinas ist. Das versteht sich nicht von selbst. Dementsprechend möchte ich abschließend die Nudelsuppe, die göttliche, loben und frei nach Bob Dylan schließen: Kritisiere nicht, was du nicht verstehen kann.

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