Mietenwahnsinn und Aktionsbündnisse: Mieterbündnis ohne Truppen

In Berlin gründet sich ein bundesweites „Aktionsbündnis“, das aber wenig Mobilisierungskraft hat. Geplant ist eine Menschenkette am Bundeskanzleramt.

Kleine Eigenheime vor großen Wohnblöcken in der Sonne mit bunten Wänden

Wohnen im modernen, aber kleinen Einfamilienhaus oder im Wohnblock? Eine Frage des Geldes Foto: dpa

Vier Seiten voller Forderungen und Statements hat das Papier, das das neugegründete „Ak­tions­bündnis ,Wohnen ist Menschenrecht'“ am Donnerstag in Berlin verteilte, ehe es ganz zum Schluss auf elf Zeilen zum Eigentlichen kommt: den Aktionen des Aktionsbündnisses. Am 19. September, einem Donnerstag, ist eine kleine Menschenkette zwischen Bundeskanzleramt und Innenministerium geplant, zu der vor allem der DGB mobilisiert.

Und im Oktober und November „werden an verschiedenen Orten in Deutschland Diskussionen zu unterschiedlichen Wohnthemen mit Betroffenen geführt“. Dabei „sollen Informations-Clips entstehen, die auf den Webseiten des Bündnisses eingestellt werden“. Für ein „Aktionsbündnis“ hört sich das nach wenig Aktion an.

Zu den Gründern des Bündnisses, die am Donnerstag auf dem Podium saßen, gehören der Deutsche Mieterbund, der DGB, Attac, die BAG Wohnungslosenhilfe und vor allem der rührige Berliner Mieterverein, der sich mit seinem Geschäftsführer Reiner Wild für das Zustandekommen des Bündnisses eingesetzt hatte.

Das Problem: Die großen Organisationen sind selbst kaum mobilisierungsfähig. Nicht der traditionell auf Mieterberatung und Lobby­arbeit konzentrierte und in der Zentrale nur schwach besetzte Mieterbund, nicht der DGB als Dachverband ohne eigene Fußtruppen und auch nicht Attac, dessen große Zeiten etwas zurückliegen.

Verschiedene Bündnisse

Die großen Mieterdemos der vergangenen Jahre gingen sämtlich von lokalen Initiativen aus. Von denen gehören zwar „ausspekuliert“ (München), „Bizim Kiez“ (Berlin) und „Mietentscheid Frankfurt“ zum Bündnis, nicht aber das Berliner Mietenwahnsinn-Bündnis, das im Frühjahr 40.000 Berliner auf die Straße brachte. „Sie hatten Angst, vom Bündnis vereinnahmt zu werden“, sagte Franziska Schulte vom Berliner Mieterverein bei der Vorstellung des Aktionsbündnisses. Das Mietenwahnsinn-Bündnis werde dem Aktionsbündnis nicht beitreten, sei ihm aber partnerschaftlich verbunden.

Damit haben sich die Hoffnungen nicht erfüllt, die im Herbst vergangenen Jahres beim „Alternativen Wohngipfel“ in Berlin aufkamen: Erstmals kamen die bundesweit relevanten Akteure der Mieterbewegung zusammen, trauten sich schon damals aber nicht mehr als eine kleinere Kundgebung parallel zum Wohngipfel der Bundesregierung zu.

Einige, Reiner Wild zum Beispiel, setzen seit Längerem auf eine große, überregionale Demonstration in Berlin, weil hier die Bundesregierung sitzt. Die Idee wird aber regelmäßig zugunsten dezentraler Aktionstage verworfen – zuletzt im April. Ein Konzept mit gemischtem Erfolg: In München kamen nur ein paar Hundert Teilnehmer zusammen, während die Berliner Innenstadt voll mit Demonstranten war.

Die größte Mieter*innendemo

Berlin ist gleichzeitig Hoffnung und Problem einer bundesweiten Mieterbewegung. Im Frühjahr fiel hier der Startschuss zum Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co enteignen“, wenig später beschloss der Senat einen landesweiten Mietendeckel. Nirgendwo sonst ist die Mieterbewegung so stark. Das mindert die Notwendigkeit, sich an einer bundesweiten Bewegung zu beteiligen, zumal mietenpolitisch auf Bundesebene kein Blumentopf zu gewinnen ist, solange die Große Koalition regiert.

Für das nächste Jahr, am 18. März 2020, ruft das „Aktionsbündnis“ mit zu den erneut dezentralen Aktionstagen vieler Initiativen auf. Zu der möglicherweise größten Mieterdemo des Herbstes war auf der Pressekonferenz nichts zu hören: Am 3. Oktober wollen Berliner Initia­tiven unter dem Motto „Richtig deckeln – dann enteignen“ demonstrieren.

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