Keine Berliner Wunschergebnisse

Die Wahlergebnisse von CDU und SPD in Sachsen und Brandenburg werden die Groko weiter destabilisieren.
Die Fehler von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer und das Hin und Her um den SPD-Vorsitz tun ein Übriges

Wahlkampf­hilfe? CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-­Karrenbauer lässt sich am Tag vor den Landtags­wahlen mit dem brandenburgischen Ingo Senft­leben in Potsdam sehen Foto: Björn Kietzmann

Aus Berlin Anja Maier
und Ulrich Schulte

Als im Berliner Konrad-Adenauer-Haus die ersten Prognosen zu den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg einlaufen, unternimmt die Junge Union noch einen Versuch, so etwas wie gute Stimmung zu erzeugen. Doch oben in den Büros der CDU-Vorsitzenden und ihres Generalsekretärs weiß man schon, dass die Partei Stimmen verloren hat. Wieder einmal. Gleichwohl sieht es in Sachsen und Brandenburg so aus, als würden sich die Koalitionen ändern müssen – bei gleicher Führung. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak spricht von „gemischten Gefühlen“.

Es wird schwierig, das Ergebnis der beiden Ostlandtagswahlen als Erfolg zu verkaufen. In Sachsen hat CDU-Ministerpräsident Kretschmer sein Minimalziel erreicht und mit etwa 32 Prozent der Stimmen die AfD überflügelt. In Dresden sagt Kretschmer zu seinen Anhängern: „Das freundliche Sachsen hat gewonnen.“ In Berlin ergänzt Paul Ziemiak, das Sachsen-Ergebnis sei Kretschmers „ganz persönlicher Erfolg“.

In Brandenburg ist die regierende SPD von 31,9 Prozent auf rund 26 Prozent abgesackt. Das Minus hätte schlimmer ausfallen können. Auch Ministerpräsident Dietmar Woidke spricht vom „freundlichen“ Brandenburg. CDU-Landeschef Ingo Senftleben konnte das Ergebnis von 2014 längst nicht erreichen: Seine Partei liegt bei etwa 16 Prozent – 7 Prozentpunkte weniger als vor fünf Jahren. Vor seinen Anhängern in Potsdam sagt er: „Ich fühle mich als Spitzenkandidat dafür verantwortlich.“ Das klingt nach persönlichen Konsequenzen.

Wenn an diesem Montag Annegret Kramp-Karrenbauer in Berlin vor die Presse tritt, heißt es für die Parteivorsitzende aber nicht nur zurückzublicken. Die Ergebnisse in Sachsen und Brandenburg mögen angesichts der bundespolitischen Lage der CDU keine Katastro­phe sein. Neues Leben werden sie der schwächelnden Großen Koalition aber sicher nicht einflößen. Im Gegenteil. In der SPD wachsen die Zweifel an der Groko, und die CDU schaut immer ratloser auf die Frau, die Kanzlerin Merkel beerben will.

Selbst einstige Fans gehen mittlerweile auf Distanz zur CDU-Vorsitzenden. Dass die frühere Ministerpräsidentin des Saarlands binnen achtzehn Monaten erst zur CDU-Generalsekretärin, dann zur Parteivorsitzenden und schließlich zusätzlich zur Bundesverteidigungsministerin wurde, mag von Weitem wie ein Senkrechtstart wirken. Tatsächlich erscheinen die hektischen Wechsel mittlerweile wie ein Zickzackflug inklusive einer sich ankündigenden Bruchlandung.

In den Wahlkämpfen dieses Sommers war nicht viel von der Vorsitzenden zu merken. Annegret Kramp-Karrenbauer hat mit ihrem neuen Job im Verteidigungsministerium alle Hände voll zu tun. Ganz am Schluss zeigte sie sich noch einmal in Sachsen und Brandenburg. Im Konrad-Adenauer-Haus aber hatte nicht einmal jemand Zeit gefunden, die Termine der beiden in den öffentlich einsehbaren Kalender zu schreiben. Absicht? Jedenfalls war die Berliner CDU-Zen­trale zuletzt damit beschäftigt, die Angriffe sowohl von außen als auch aus dem Inneren der Partei abzuwehren. Sich auch noch die Pro­ble­me des in Sachsen wahlkämpfen­den Michael Kretschmer ins Haus zu holen, dafür reichte die Kraft nicht mehr. Ganz zu schweigen vom Brandenburger Spitzenkandidaten Ingo Senftleben, der nicht nur tapfer gegen die völkische Rechte angetreten war, sondern auch gegen die seit dreißig Jahren regierenden Sozialdemokraten. Dass Senftleben gleich zu Beginn seines Wahlkampfs angedeutet hatte, über eine Koalition der DemokratInnen sogar mit der Brandenburger Linken reden zu wollen, wurde im Adenauer-Haus als Absetzbewegung von der Parteilinie verstanden.

Und dann sind da noch die Grünen. Die Ökopartei hat vorgeführt, wie man politische Kernkompetenz in Wählerstimmen umgemünzen kann. Vor allem beim Themenkomplex Umwelt und Ökologie wird deutlich, wie blank die Union im Vergleich ist. Hektisches Greenwashing durch CSU-Chef Söder und das Anberaumen eines „Werkstattgesprächs“ zur Umweltpolitik in der Woche nach den Ostwahlen konnten das nicht rausreißen.

Die miesen Ergebnisse der SPD müssten eigentlich die Groko-Gegner bestärken, weil sie kein „Weiter so“ wollen

Auch bei den Sozialdemokraten sieht es düster aus. In Brandenburg haben sie Chancen, weiter den Ministerpräsidenten zu stellen – verzeichnen aber deutliche Einbrüche. In Sachsen rutscht die einst stolze Sozialdemokratie unter 10 Prozent. Zyniker sagen, dass diese schlechten Ergebnisse zum Glück keine Folgen haben könnten: Es gibt im Moment ja keinen Parteivorsitzenden, der oder die zurücktreten könnte. Die SPD wird kommissarisch von dem Dreigestirn Malu Dreyer, Manuela Schwesig und Thorsten Schäfer-Gümbel geführt – bis die Basis neue Vorsitzende gekürt hat.

Der interne Wettbewerb um dieses Amt wird in den nächsten Wochen die meiste Energie in der SPD binden. Acht Duos sind im Rennen. Gewinnen Vizekanzler Olaf Scholz und die Brandenburger Landtagsabgeordnete Klara Geywitz? Sie stehen für die Fortsetzung der Groko. Oder haben erklärte Groko-Gegner eine Chance, etwa Umweltpolitikerin Nina Scheer und Gesundheitsexperte Karl Lauterbach? Die miesen Ergebnisse in Sachsen und Brandenburg müssten – nach der üblichen Mathematik – eigentlich die Groko-Gegner bestärken, weil sie kein „Weiter so“ wollen.

Doch diese befinden sich nach der Absage von Juso-Chef Kevin Kühnert in einem Dilemma. Kühnert hätte im Rennen um den Vorsitz durchaus Chancen gehabt – und die Stimmen jener, die einen radikalen Wandel wollen, auf sich vereint. Er ist inzwischen der prominenteste Kopf des linken Flügels und hätte auf die Unterstützung von 80.000 Jusos bauen können. Ohne ihn wirkt das linke Personalangebot divers, ohne klare Favoriten. Zwar sind die meisten Teams tendenziell links, aber sie könnten sich beim Zuspruch der Basis gegenseitig kannibalisieren.

Die SPD steuert inhaltlich nach links. Sie will nach jahrelangem Hin und Her für eine Vermögensteuer eintreten, sie wirbt für eine Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung und einen Mindestlohn von 12 Euro. Aber im Rennen um den Vorsitz könnte ausgerechnet Scholz profitieren, der prominenteste Kandidat – und überzeugte Verfechter der Regierungsbeteiligung.