Nachkommen von NS-Verfolgten: Bald wieder eingebürgert

Diskriminierende Gesetze haben bis jetzt vielen Nachfahren von deutschen NS-Verfolgten die Einbürgerung verwehrt. Das soll sich nun ändern.

Ein deutscher Reisepass und ein britischer Reisepass

Deutsche Staatsbürgerschaft für Nachkommen von NS-Flüchtlingen: gerecht und bald sehr nützlich Foto: dpa

BERLIN taz | Der Brexit hat zumindest eine positive Auswirkung: Er macht nicht nur auf eine große, man möchte sagen peinliche Ungerechtigkeit der deutschen Wiedergutmachungspolitik aufmerksam, sondern führt wohl auch zu deren Behebung.

Denn viele deutschstämmige Briten, darunter zahlreiche Nachkommen von NS-Verfolgten, möchten vor dem drohenden Austritt ihres Landes aus der Europäischen Union Deutsche werden und somit europäische Staatsbürger bleiben.

Eigentlich haben sie auch ein Recht darauf: „Frühere deutsche Staatsangehörige, denen zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 die Staatsangehörigkeit aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen entzogen worden ist, und ihre Abkömmlinge sind auf Antrag wieder einzubürgern.“ So heißt es im Grundgesetz.

Allerdings galt dies nur, wenn ihnen überhaupt das Recht auf eine deutsche Staatsangehörigkeit zugestanden hätte. Das war aber bei ehelich geborenen Kindern deutscher Frauen und ausländischer Männer per se nicht der Fall. Der Grund: das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913, nach dem die Heirat mit einem Ausländer der Grund für den Verlust der Staatsbürgerschaft war. Die wurde zudem ausschließlich vom Vater vererbt.

Lücke im Gesetz

Ganz konkret: Eine deutsche Jüdin flieht vor dem Naziregime nach England, ihr wird die deutsche Staatsangehörigkeit ab­erkannt. Wenige Zeit später erhält sie die britische durch die Heirat mit einem Engländer, ebenso die aus der Ehe entstandenen Kinder. Ihr Antrag auf Einbürgerung in Deutschland wurde bisher abgewiesen.

Das diskriminierende Gesetz zur Vererbung der Staatsangehörigkeit blieb bis 1975 in Kraft.

Im Jahr 2000 kam es zu einer Neuregelung: Es bestehe ein „öffentliches Interesse an einer Einbürgerung“ bei jenen Personen, die nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 und vor 1975 als „Kind einer deutschen Mutter und eines ausländischen Vaters ehelich geboren sind“. Das galt sowohl für Mütter mit deutscher Staatsangehörigkeit als auch für die, denen sie entzogen worden war.

Doch die Frage blieb: Was ist mit all jenen Kindern, die vor 1949 geboren wurden?

Kein Ermessensspielraum

Darauf nun reagiert das Bundesinnenministerium (BMI) mit zwei Erlassen, die am Freitag in Kraft treten. Künftig können auch all jene vor 1949 geborenen ehelichen Kinder deutscher Mütter und ausländischer Väter ihr Recht auf Staatsangehörigkeit geltend machen. Außerdem wird die Regelung erweitert: Sie gilt auch, wenn sich die Vorfahren etwa aufgrund von Verfolgung zur Emigration entschlossen und im Ausland eine neue Staatsbürgerschaft annahmen.

„Mit dem Erlass können wir schnell und möglichst genau reagieren, ohne eine völlige Öffnung“, so das BMI. „Im Grunde unterbinden wir so jeden Ermessensspielraum.“ Die Grünen dagegen fordern eine Gesetzesänderung und haben einen Gesetzentwurf vorbereitet.

„Angesichts des Brexits gehen wir von einer Antragswelle aus“

Hans Hofmann, Leiter der Abteilung Staatsrecht im BMI, betonte, dass man die Anforderungen vor dem Hintergrund bestehender Gesetze „maximal niedrig“ gehalten habe. Betroffene müssten etwa lediglich über rudimentäre Kenntnisse der Sprache und der Rechtsordnung verfügen. Diese müssen in einem persönlichen Gespräch mit einem Konsulatsmitarbeiter nachgewiesen werden. „Die Mitarbeiter sind zu einer wohlwollenden Prüfung angehalten“, so Hofmann.

Mit der Regelung können alle bis heute geborenen Nachfahren dieser Gruppen die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen.

Wie viele Personen darunterfielen, sei nicht klar. Hofmann betont: „Angesichts des Brexits gehen wir von einer Antragswelle aus.“

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