Demokratieförderung des Bundes: Gegen die Verrohung

Familienministerin Giffey betont in Leipzig die Wichtigkeit zivilgesellschaftlicher Projekte gegen Rechts. Doch um deren Finanzierung gibt es Streit.

Familienministerin Franziska Giffey

Ministerin Giffey (SPD) sprach über die Bedrohung zivilgesellschaftlichen Engagements Foto: dpa

DRESDEN taz | Mindestens die Hälfte der Projekte, die über das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ gefördert werden, sind bereits Opfer von Bedrohungen, Anfeindungen oder Beleidigungen geworden. Bei mindestens einem Drittel der Partner sei versucht worden, das Engagement zurückzudrängen.

Diese Zahlen machte Familienministerin Franziska Giffey (SPD) am Dienstag in Leipzig öffentlich, wo sie gemeinsam mit der sächsischen Integrationsministerin Petra Köpping (SPD) eine Fachtagung zum Austausch mit Mitarbeitern zivilgesellschaftlicher Projekte eröffnete.

„Das sind genau die Anfänge, mit denen man Menschen versucht klein zu machen, und da müssen wir gegenhalten“, sagte Giffey in Leipzig. „Ich finde es ganz wichtig, dass wir vom Bund das Signal aussenden, dass die, die vor Ort ihre Arbeit machen, mit Unterstützung des Staates rechnen können.“ Gerade dort, wo es darum gehe, Rechtsextremismus und Rassismus zu bekämpfen, „wollen wir nicht nachlassen, das wollen wir verstärken“, so die Ministerin.

Unterdessen gibt es weiterhin Kritik an der geplanten Umstrukturierung des Programms „Demokratie leben!“. Denn ausgerechnet die Dachverbände der Anti-Rechts-Projekte, die den bundesweiten Austausch und die Vernetzung der unterschiedlichen Träger ermöglichen, sollen ab 2020 nicht mehr direkt aus Bundesmitteln gefördert werden. Betroffen sind die Dachverbände der mobilen Beratungsstellen, der Opferberatungen und der Aussteigerprogramme.

Kritik an Umstrukturierung ebbt nicht ab

Künftig sollen die Dachverbände nicht mehr wie bisher direkt Gelder aus dem Programm erhalten, sondern diese über die sogenannten Demokratiezentren der Länder erhalten. „Wir Dachverbände müssten dann also bei 16 verschiedenen Bundesländern versuchen, finanzielle Förderung zu erhalten“, sagt Robert Kusche vom Vorstand des Verbands der Opferberatungsstellen (VBRG) gegenüber der taz. Das sei kein gangbarer Weg.

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Die Umstrukturierung des Förderprogramms sieht auch die Bildung fünf sogenannter Kompetenznetzwerke vor. Der VBRG habe Interesse bekundet, Teil des Kompetenzzentrums Rechtsextremismus zu werden, was die Finanzierung sichern könnte, so Kusche. „Bisher sehen die Signale, die uns dazu aus dem Ministerium erreichen, aber nicht gut aus.“

Ein Sprecher des Familienministeriums sagte am Dienstag gegenüber der taz, für eine inhaltliche Stellungnahme zu den Bewerbungen sei es noch zu früh: „Alle fristgerecht eingereichten Interessenbekundungen werden nun auf Grundlage der in den Förderaufrufen bekanntgegebenen Kriterien geprüft und bewertet.“

Dass die Bedrohungslage für Menschen, die sich gegen Rechts engagieren, zugenommen habe, steht aus seiner Sicht außer Frage. Nicht zuletzt die „Feindeslisten“, mit denen Rechtsextreme Daten zu potenziellen Angriffszielen sammeln, verdeutlichten die Zuspitzung. „Wir fordern, dass die Betroffenen informiert werden und auch den Hinweis bekommen, dass mit den Beratungsstellen eine Anlaufmöglichkeit existiert, an die sie sich wenden können.“ Ähnlich wie einige Landeskriminalämter solle auch das Bundeskriminalamt eine Hotline für Betroffene einrichten.

Köpping sieht Verrohung

Integrationsministerin Petra Köpping, die in der vergangenen Woche selbst eine Morddrohung gegen sich öffentlich gemacht hatte, warnte am Dienstag in Leipzig vor einer weiteren Verrohung des gesellschaftlichen Umgangs. Ihre größte Sorge sei, „dass wir das nicht mehr ernst nehmen, sondern hinnehmen“, so die Ministerin. Es sei wichtig, sich gegen rechte Kräfte zu stellen und etwa konkrete Bedrohungen immer auch zur Anzeige zu bringen.

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