Zu viele Zwangsräumungen

Die Fachstellen für Wohnungsnotfälle kommen gegen die hohe Zahl der Hilfesuchenden nicht an

„Die Bundesrats-initiative ist ein Ablenkungs-manöver nach dem Motto: „Guckt mal, wir machen doch was.“

Von Katharina Gebauer

1.914 Zwangsräumungen gab es im Zeitraum vom 1. Januar 2018 bis zum 30. Juni 2019. Das geht aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion in der Bürgerschaft hervor. 389 davon ließ das städtische Wohnungsunternehmen Saga räumen. Die Linke kritisiert das und fordert mehr Ersatzwohnungen, damit Obdachlosigkeit verhindert werde. „Hier kann und muss die Stadt handeln“, sagt Cansu Özdemir, sozialpolitische Sprecherin der Fraktion. Es dürfe nicht sein, dass Zwangsräumungen durchgeführt würden, ohne dass Ersatzwohnraum zur Verfügung stehe. Zudem seien die Fachstellen für Wohnungsnotfälle unterbesetzt: „Es kann nicht sein, dass die im Dezember letzten Jahres durch die Bürgerschaft beschlossene Aufstockung des Personals in den Fachstellen immer noch nicht erfolgt ist“, sagt Özdemir.

Die Fachstellen für Wohnungsnotfälle helfen unter anderem Menschen, denen eine Zwangsräumung droht. Durch Darlehen oder Beihilfe können Mietschulden abgefedert werden. Beim Verlust der eigenen Bleibe hilft die Stelle, eine öffentliche-rechtliche Unterbringung zu finden. Zudem unterstützen die Mitarbeiter*innen die Hilfesuchenden bei der Suche nach einer neuen Wohnung. Die Fachstellen sind bei den Bezirksämtern angesiedelt und leisten laut Özdemir einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen die Obdachlosigkeit. So konnten sie in dem oben genannten Zeitraum von eineinhalb Jahren insgesamt 7.627 Wohnungen sichern, wie aus der Antwort des Senats hervorgeht. Vermitteln konnte die Fachstellen mit 2.153 Wohnungen im Jahr 2018 nur sieben mehr als im Vorjahr.

Das reicht Özdemir nicht: „Die erfolgreiche Arbeit der Fachstellen sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass 2018 in 1.383 Fällen der Wohnraum nicht gesichert werden konnte.“ Dazu kommen nochmals 860 Wohnungen in der ersten Hälfte des Jahres 2019. In einer Umfrage Anfang 2018 gaben ein Viertel der obdachlosen Befragten an, durch Zwangsräumungen auf der Straße gelandet zu sein, bei den Wohnungslosen lag die Zahl bei über einem Viertel.

Eine Verbesserung der Situation verspricht sich der Hamburger Senat durch eine Bundesratsinitiative zur Reform des Mietrechts. Darin enthalten ist ein Passus, nach dem Mietschulden, wenn sie nachträglich beglichen werden, nicht gleich ein Kündigungsgrund sind. Man wolle „Menschen, die in eine finanzielle Notlage geraten sind, mit einer angepassten Regelung zur Schonfristzahlung vor der vermeidbaren Obdachlosigkeit schützen“, sagt Justizsenator Till Steffen (Grüne).

Die Linke überzeugt das nicht. Heike Sudmann, wohnungspolitische Sprecherin der Fraktion, nennt den Vorstoß ein „Ablenkungsmanöver nach dem Motto: Guckt mal, wir machen doch was.“