Surfen am Arbeitsplatz: 90 Sekunden rumballern ist ok

Viele Menschen vertrödeln Arbeitszeit im Netz, sie surfen und ballern. Kein Grund zur Sorge: Das sogenannte Cyberloafing hat viele Vorteile.

Ein Screenshot auf dem Computerspiel Moorhuhn, bei dem Hühner durch das Bild fliegen, die man abschießen kann

Wer die kleinen Hühner abknallt, kriegt Punkte – und ist weniger gestresst im Büro Foto: dpa

Die Moorhühner sind nicht umsonst gestorben. Vor zwanzig Jahren wurde das Computerspiel entwickelt. Innerhalb von 90 Sekunden so viele Vögel wie möglich zu erlegen, begeisterte die Massen – und jagte Arbeitgebern Angst ein. „Moorhuhn bedroht die deutsche Wirtschaft“, titelte Heise Online im Februar 2000. Die Mitarbeiter würden Speicherplatz verbrauchen und ihre Zeit mit dem Spiel vertrödeln. „Wenn wöchentlich 300.000 Angestellte während der Arbeit nur 30 Minuten lang Hühner jagen, bedeutet das bereits Verluste von fast vier Millionen Euro täglich“, zitierte der Spiegel einen Arbeitgeber.

Seit 2002 gibt es einen Namen für das, was Zigtausende Deutsche damals während ihrer Arbeitszeit taten: „Cyberloafing“, also „Cybertrödeln“. Dazu zählt nicht nur Surfen im Internet, wenn man eigentlich arbeiten sollte, sondern eben auch das gute alte Moorhuhn.

Mittlerweile haben sich die Möglichkeiten des Onlinebummelns ebenso vervielfacht wie die wissenschaftlichen Studien dazu. Das Problem wird ernst genommen, denn es geht ins Geld: In den USA sollen Arbeitnehmer im Schnitt zwei Stunden pro Tag „cyberloafen“, was Betriebe übers Jahr hochgerechnet bis zu 85 Milliarden Dollar kostet.

Wer warum Cyberloafing betreibt, dieser Frage nahmen sich US-Forscher vor zwei Jahren an. Sie untersuchten 49 bereits durchgeführte Studien zu dem Thema. Das Interessante an dem Ergebnis, veröffentlicht in der Fachzeitschrift Career Development International: Es ist egal, wie lange man schon bei dem Unternehmen tätig ist. Alter, soziale Herkunft und Einkommen? Irrelevant. Getrödelt wird überall.

Was sehr wohl einen Unterschied macht, sind Persönlichkeitsmerkmale: Wer sich gut selbst kontrollieren kann, ist weniger anfällig; das erscheint logisch. Aber warum sind Menschen mit großem Selbstvertrauen häufiger Cybertrödler? Das verwunderte die Forscher. Vielleicht, mutmaßen sie, ist ihnen eher langweilig, oder sie sind so selbstsicher, ihre Aufgaben zu bewältigen, dass sie nebenbei andere Dinge machen. Wer das Gefühl hat, für seinen Beitrag für das Unternehmen nicht ausreichend gewürdigt worden zu sein, der fühlt sich weniger schuldig, in der Arbeitszeit online abzuhängen. „Neutralisierung“ nennen die Forscher diesen Effekt.

Cyberloafing hat auch Vorteile, wie eine kürzlich im Fachjournal Computers in Human Behavior erschienene Studie zeigt. Knapp 260 Menschen, die Teilzeit in typischen Studentenjobs wie im Verkauf oder in der Gastronomie arbeiteten, wurden zu ihrem Onlineverhalten sowie zu Aggression am Arbeitsplatz befragt. Wie zufrieden sind sie mit ihrem Job? Das Ergebnis: „Cyberloafing“ kann dazu dienen, Stress zu vermindern. Wer wegen aggressiven Verhaltens unzufrieden mit seinem Job ist, dem geht es besser, je mehr er sich online ablenkt. Die Moorhühner sind nicht umsonst gestorben.

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Journalistin und Autorin in Wien. Schreibt über Wissenschaft für den "Falter", kommentiert Politik für die "Presse". War zuvor Redakteurin bei "The Forward" in New York. "Versteckte Jahre. Der Mann, der meinen Großvater rettete" über ihre Familiengeschichte erschien 2018 im Paul Zsolnay Verlag, 2020 in englischer Übersetzung ("I belong to Vienna") bei New Vessel Press (New York). Von 2019 bis 2020 schrieb sie die Kolumne "Die Internetexplorerin" für die taz.

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