Arbeit in Serie: Der Spielerberater: Der Strippenzieher am Spielfeldrand

Umut Schleyer berät Fußballer. Er hilft ihnen, viel Geld zu verdienen und ist auch privat oft ihr erster Ansprechpartner. Dafür wird er gut entlohnt.

Ein Tischkicker, in der Abwehrreihe sagt ein Spieler zum anderen, sein Spielerberater habe ihm versprochen, ihn in die Bundesliga zu führen

In der Bundesliga lässt sich viel Geld verdienen, auch für Spielerberater Foto: Yvonne Kuschel

Der Arbeitsort

Umut Schleyer sitzt in seinem Büro, das Leipziger Zentralstadion hinter ihm ist vollbesetzt, RB Leipzig spielt. Das Stadion hängt als vier Meter langes Panorama an der Bürowand. Gegenüber von Schleyer, Rechtsanwalt und Fußballspielerberater, hängen gerahmte Trikots, zum Beispiel eins von Sebastian Rode. „Für den Holiday-Anwalt“, hat der Bundesligaprofi von Eintracht Frankfurt als Widmung auf die Rückseite des Trikots geschrieben. Nationaltorhüter Manuel Neuer blieb zurückhaltender: „Für Umut“ steht lediglich auf seiner Arbeitskleidung, die ebenfalls an der Wand hängt.

Umut Schleyer ist seit 13 Jahren Fachanwalt für Verkehrsrecht, seit etwa neun Jahren Spielerberater. Die Agentur ProProfil, mit der er partnerschaftlich zusammen arbeitet, gehört zu den größten Spielerberatungen in Deutschland. Im Fußballgeschäft werden Millionen verdient, Verträge sind kompliziert ausgestaltet.

FußballspielerInnen zu beraten ist kein geschützter Beruf, für den eine spezielle Ausbildung nötig ist. Die Bedeutung von BeraterInnen im Fußballgeschäft wächst bei den inflationär steigenden Summen, die in der Branche bewegt werden, aber immer weiter. SpielerberaterInnen sehen ihre Aufgabe darin, den FußballerInnen ein Gehalt auszuhandeln, das ihren Anteil am Millionengeschäft widerspiegelt. Sie haben ein natürliches Interesse daran, dass Ihre KlientInnen mehr und mehr verdienen – denn ihr Gehalt bezahlen die Vereine prozentual abgeleitet vom Jahresgehalt der FußballerInnen. (lwa)

Schleyer führt für die Kicker Verhandlungen mit den Vereinen, sorgt dafür, dass sie bestmöglich verdienen. Er hält Kontakt zu den Vereinen und berät seine Klienten, ob und wann ein Wechsel sinnvoll ist. Außerdem hält er ein Netzwerk aus Betreuern vor, etwa aus dem medizinischen Bereich, die für die Fußballer auf Abruf verfügbar sind.

Oft kommen Spieler oder ihre Eltern auf ihn zu, erbitten eine Zusammenarbeit. Aber Schleyer scoutet auch auf Berlins Fußballplätzen nach vielversprechenden Talenten. Er erzählt: „Ich arbeite viel mit Berliner Fußballern und, meine besondere Rolle bei ProProfil, ich bin Regionalleiter Deutschland Ost.“

Der Mensch

Schleyer trägt hellblaue Shorts und ein weißes Shirt. Er entschuldigt sich für sein legeres Auftreten, aber bei Außentemperaturen von über 30 Grad sei eine kurze Hose alternativlos – eine in der Juristenbranche eher ungewöhnliche Perspektive. Seine schwarzen Haare sind ordentlich gescheitelt, der Bart gepflegt.

Schleyer führt eine Kanzlei in Charlottenburg, seit er sein Jura-Studium beendet hat. „Die Selbstständigkeit war von Beginn an mein Ziel. Ich habe angefangen mit einem Stuhl und einem Pappkarton als Tisch“, erzählt er nicht ohne Stolz. Schleyer ist 45 Jahre alt, verheiratet und Vater einer Tochter.

Familiär sei er nicht „vorbelastet“, erzählt Schleyer, in seiner Familie habe niemand vor ihm Jura studiert. Seine Arbeit als Spielerberater ist eher ungewöhnlich: „Als Rechtsanwalt wird man da schon ab und zu kritisch beäugt“, sagt er. „Aber es macht mir eben Spaß.“

Wie alles begann

„Vor acht Jahren bin ich auf die Idee gekommen, mir ein zweites Standbein zu eröffnen“, erzählt Schleyer. „Ich habe früher Fußball gespielt, war aber nie ein Talent in dem Sinne. Dann baten mich mir bekannte Berater und Vereine immer öfter um rechtlichen Rat. Ich habe gemerkt, dass in dem Bereich eine Möglichkeit besteht, Fuß zu fassen.“

Mittlerweile, erzählt er, kämen viele Spieler, oft auch ihre Eltern, auf ihn zu und fragten ihn um Rat. „Wenn ich hier jemanden sitzen habe, egal ob Eltern oder Spieler, ist meine erste Frage an sie ganz oft: ‚Warum verdient Leo Messi so viel Geld?‘ Ich sehe das in dem Moment aus der juristischen Brille. Alle sagen dann: ‚Weil er ein cooler Fußballer ist.‘ Dann kommt meine Aufgabe als Berater.“ Schleyer macht eine Kunstpause. „Ich erkläre: Nein, cool sein reicht nicht. Messi ist der beste Fußballer der Welt und ein Typ, wegen dem die Zuschauer ins Stadion gehen. Aus diesem Grund verdienen Ausnahmespieler wie er oder Christiano Ronaldo so viel Geld.“

Die Arbeitszeit

Mit unserer „Arbeit in Serie“ werfen wir alle zwei Wochen Schlaglichter auf die Berliner Arbeitswelt, auf spannende Tendenzen und bedenkliche Phänomene. MehrfachjobberInnen, moderne ArbeitssklavInnen, ArmutsrentnerInnen: Wir schauen dahin, wo es wehtut. Aber auch dahin, wo die Berliner Wirtschaft boomt: Immobilienbranche, Unterhaltungsindustrie, digitale Transformation. Wir stellen Fragen nach Wertschätzung und Perspektiven. Wir sprechen mit Menschen, die typisch sind für Entwicklungen und doch auch ihre ganz eigene Geschichte erzählen. Alle Folgen finden sich unter taz.de/arbeitinserie. (taz)

„Es gibt nicht diesen klassischen Alltag, dieses nine to five.“ Schleyer muss sich an die Bedürfnisse seiner Klienten anpassen. „Gestern bin ich um halb sieben aufgestanden, habe mich nach dem Frühstück ins Auto gesetzt und bin nach Chemnitz gefahren. Dort ging es darum, einen Spieler von RB Leipzig eventuell zu verleihen. Er war zwei Tage im Probetraining. Weil ich nicht wollte, dass er alleine dort ist, bin ich hingefahren.“

Schleyer sprach mit dem Spieler, erkundigte sich nach dessen Eindrücken. Er führte Gespräche mit dem Chemnitzer Trainer, um herauszufinden, ob eine Zusammenarbeit im Sinne des Spielers wäre. Auf der Rückfahrt nach Berlin telefonierte er mit dem Chemnitzer Sportdirektor. Am Ende entschied er gemeinsam mit dem Spieler gegen die Leihe – die Aussicht auf Spielzeit sei zu gering gewesen.

In solchen Fällen komme es auch mal vor, dass der Berater zum psychologischen Betreuer wird, sagt Schleyer: „Im Prinzip bin ich sieben Tage die Woche 24 Stunden erreichbar, das ganze Jahr.“ Er sei für die Spieler erster Ansprechpartner, erzählt er – oft noch vor den Eltern.

Die Bezahlung

Grundsätzlich, betont Umut Schleyer, verdiene er als Rechtsanwalt mit seiner Kanzlei genug. „Ich kann von beiden Arbeitsfeldern unabhängig voneinander leben. Ich bin auf das Geld aus der Beratung überhaupt nicht angewiesen. Das ist ein großer Vorteil gegenüber vielen anderen Spielerberatern, die finanziell unter Druck stehen. Alles, was aus der Spielerberatung kommt, ist für mich ein Sahnehäubchen.“

Schleyer möchte bezüglich seines Verdienstes keine Zahlen nennen, sagt aber: „Der Berater wird von seinem Auftraggeber bezahlt, das ist in der Regel der Verein. Die Vergütung orientiert sich am Bruttojahresgehalt des jeweiligen Spielers – meistens acht bis zehn Prozent.“ Bundesligafußballer verdienen im Schnitt 1,4 Millionen Euro pro Jahr, zehn Prozent davon sind 140.000 Euro. Schleyer berät derzeit etwa 50 Fußballer, sagt er.

Umut Schleyer, spielerberater

Geld ist ein gewichtiges Argument.

„Ich habe schon Verträge gesehen, wo Agenturen auch von den Spielern kassieren. Das geht gar nicht. Das halte ich für unseriös.“

Das Gewissen

Im Fußball wird immer mehr Geld gezahlt. Jugendliche werden zu Millionären, wenn sie nur den Anschein erwecken, ihr Talent könnte sie ganz nach oben führen. Schleyer sagt: „In der jüngsten Vergangenheit bin ich manchmal selbst erschrocken, wenn ich Zahlen lese.“

Immer mehr Fußballer haben deswegen immer früher Kontakt zu Beratern, lassen vertragliche Details von Experten regeln. Verletzt sich ein junger Fußballer, verfliegt das Interesse der Vereine schnell und ein Lebenstraum platzt. „Dann ist man natürlich traurig, man hat ja eine Beziehung zu dem Menschen aufgebaut“, sagt Schleyer.

Es sei auch seine Aufgabe, seine Klienten in einem solchen Fall mental zu unterstützen. „Es kommt dann auf die Lebenssituation des einzelnen Spielers an. Manche haben ein gutes Verhältnis zum Umfeld, die Familie funktioniert, sie haben vielleicht noch Geschwister, die sie ein bisschen auffangen können. Trotzdem versucht man natürlich, seinen Teil dazu beizutragen, in jeglicher Form. Ich hatte auch schon Spieler, deren soziales Umfeld nicht so gut war.“

Die Wertschätzung

Spielerberater ist in Deutschland keine geschützte Berufsbezeichnung. „Es gibt sogenannte ‚Berater‘, die haben noch nie einen Lizenzspielervertrag gesehen, wissen gar nicht, was das ist – geschweige denn, was in der DFB-Spielordnung steht.“ Schleyer ärgert das. „Trotzdem wollen sie den Eltern und dem Jungen erklären, wie der Fußball funktioniert.“

Das und die horrenden Summen, die im Fußball gezahlt werden, sorgen dafür, dass die Bevölkerung eher kritisch auf Spielerberater blickt. Schließlich ist es ihr Job, immer mehr Geld für die Spieler – und damit für sich – herauszuschlagen. Schleyer sieht das anders: „Es ist nicht der Spielerberater, der die aktuellen Ablösesummen und Gehälter ins Spiel bringt“, sagt er. „Es ist der Verein, der bereit ist, immer jüngeren Spielern viel Geld zu zahlen, um sie zu überzeugen. Der Konkurrenzkampf unter den Vereinen ist sehr groß und Geld leider ein gewichtiges Argument.“

Konkurrenzkampf herrscht auch unter den Spielerberatern, schließlich sind alle auf der Jagd nach dem größten Talent. Schleyer sieht sich gut aufgestellt: „Wer kann einem denn sagen, was in einem Vertrag steht und was gut in einem Vertrag ist? Ein Jurist. Und ich bin zufälligerweise Rechtsanwalt. Ich habe gute Argumente, die Leute davon zu überzeugen, mit mir zu arbeiten.“

Die Perspektive

„Ich bin in Berlin groß geworden, das ist meine Heimat. Es wird in Berlin weitergehen, sowohl meine Kanzlei als auch die Spielerberatung. Es sei denn, ich wandere irgendwann mal aus. Aber das habe ich in naher Zukunft nicht vor. Ich habe mir keine Grenzen gesetzt, wann ich aufhören möchte. Es macht viel Freude, zu erleben, wenn ein Spieler sein erstes Bundesligaspiel macht oder es gar in die Nationalmannschaft schafft. Es ist ein tolles Erlebnis, daran mitwirken zu können. Solange ich Spaß an der Zusammenarbeit mit den Spielern habe, werde ich weitermachen.“

Schleyer ist Fußballfan, allerdings nicht von einem bestimmten Verein. „Ich finde, Leipzig macht das ganz gut, auch wenn sie immer als Dosenverein beschimpft werden. Aber ich war nie so, dass ich unbedingt einen Verein unterstützen oder Fan sein wollte.“

Und zum Schluss: Was kaufen Sie sich für unverhoffte 100 Euro?

Schleyer überlegt nicht lange. „Eine Möglichkeit wäre, dass ich es für meine Tochter spare. Mit meiner Frau habe ich ein Sparkonto für unsere Tochter eingerichtet. Ansonsten könnte es sein, dass ich für meine Mitarbeiter was zu essen kaufe.“ Zwölf Angestellte arbeiten in Schleyers Kanzlei. „Oder ich würde mit meiner Frau essen gehen.“ Eine Sache, für die Umut Schleyer nicht auf ein 100 Euro-Geschenk angewiesen ist – wenn er sich etwas gönnen möchte, kann er das sorgenfrei tun.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.