Italiens neue Regierung: Koalition der Feinde

Nur wenige Inhalte verbinden die neuen Koalitionspartner in Italien. Die größte Gemeinsamkeit bleibt ihre Feindschaft zueinander.

NBicola Zingaretti verlässt lachend den Palast des Präsidenten. Er wird begleitet von Parteikollegen. Im Hintergrund steht ein Soldat und salutiert.

Hat ein gutes Pokerface angesichts seiner neuen Koalitionspartner: Nicola Zingaretti Foto: reuters

Schon Hölderlin wusste: „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.“ Man möchte fast glauben, die Spitzen des Partito Democratico (PD) und der Fünf Sterne hätten bei dem deutschen Dichter nachgeschlagen, ehe sie sich zu ihrem gewagten Koalitionsexperiment entschlossen.

Es ist ein Experiment, das zuallererst darauf zielt, Matteo Salvini von der rechtsnationalistischen Lega auszubremsen, der mit der von ihm ausgelösten Regierungskrise den Abmarsch Italiens nach rechts außen organisieren wollte: erst vorgezogene Neuwahlen, dann der Triumph seiner Lega. Diese Gefahr, die halb Italien und ganz Europa tief erschreckte, ist vorerst gebannt.

Offen bleibt allerdings, wie sehr, denn „das Rettende“ wächst. Zueinandergefunden haben da zwei völlig ungleiche Partner, die Anti-Establishment-Truppe des Movimento 5 Stelle (M5S – 5-Sterne-Bewegung) und jene Partei, die in den Augen des M5S Establishment pur ist: der gemäßigt linke PD.

Verbunden sind die beiden bisher nur durch Feindschaft und gegenseitiges Misstrauen. „Nur der Hass auf die Lega“ halte M5S und PD zusammen, wettert denn auch Salvini. Nicht ganz unbegründet ist seine Hoffnung, dass diese Koalition sich schnell in internen Streitigkeiten aufreibt und der Lega damit das Feld bereitet für zukünftige Triumphe.

PD: Gefahr aus den eigenen Reihen

So muss es jedoch nicht kommen. Mut sei jetzt gefordert, sagt der PD-Vorsitzende Nicola Zingaretti, und er skizziert eine Regierung, die eine „Wende“, einen „Neuanfang“ angehen könnte – und dafür sind die Voraussetzungen gar nicht einmal schlecht.

Ob die Steuerpolitik – Entlastung der unteren und mittleren Einkommen statt der von Salvini angestrebten Flat Tax zugunsten der Gutverdiener –, ob ein gesetzlicher Mindestlohn, Investi­tio­nen in die Green Economy oder die Abkehr von Salvinis Europa-Bashing: Die Schnittmengen zwischen den neuen Koalitionspartnern dürften größer sein als die zwischen Fünf Sternen und Lega.

Was für PD-Chef Zingaretti gut ist: Es war ausgerechnet sein innerparteilicher Gegner, der notorische Fünf-Sterne-Fresser Matteo Renzi, der die Wende zugunsten der neuen Koalition eingeleitet hatte. Die Partei steht deshalb geschlossen hinter dem Plan, in die Regierung zu gehen. Doch für Zingaretti bleibt Renzi die größte Hypothek – ein noch größeres Risiko als der Koalitionspartner. Renzi tritt auf wie der Chef einer eigenen Partei, er kann der Regierung jederzeit den Stecker ziehen. Es wird sich zeigen, ob er auch in Zukunft als Ego-Shooter der italienischen Politik auftreten will – oder ob auch er wirklich den Neuanfang will.

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Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.

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