Schwarz-rot-gold bei #unteilbar-Demo: Unter Eingeweihten

Warum es ein krasser Fehler ist, bei der Dresdner #unteilbar-Demo am Wochenende schwarz-rot-goldene Flaggen für unerwünscht zu erklären.

ein schwarz-roter Himmel hinter der Skyline von Dresden

Gefahr droht Dresden, dem Osten, Deutschland insgesamt nicht durch Schwarz-Rot-Gold Foto: Unsplash/Felix Mittermeier

Samstag soll ein Zeichen gesetzt werden, heißt es seitens vieler, die in die sächsische Hauptstadt zur Demo anreisen werden. Ein Zeichen für, wie es im Untertitel der Veranstaltung heißt, „Solidarität statt Ausgrenzung“. Eine Demonstration, vielleicht so groß wie jene im vorigen Jahr, als Hunderttausende durch Berlin zogen. „#unteilbar“ lautet die Überschrift, was als Appell zu verstehen ist, dass durch politische, vor allem rechtspopulistische Propaganda eingeborene Deutsche sich nicht gegen Flüchtlinge aus dem arabischen und afrikanischen Raum ausspielen lassen, dass die sozialstaatlichen Mindestgelder auch ihnen zuteilwerden können – und dass überhaupt die Welt im Angesicht der menschlichen Nöte in Afrika und in den nichtprosperierenden Teilen Asiens besser werde, freien Zugang in die EU inklusive.

Mit anderen Worten: Eine Woche vor den Landtagswahlen in Sachsen und dem vermuteten starken Erfolg der AfD soll durch sehr viele Menschen gezeigt werden, dass die Höckes und Co mit Widerstand rechnen müssen.

In Wahrheit ist #unteilbar dieses Zeichen nicht, leider. Vielmehr wird es eine Demonstration der Eingeweihten sein, jener, die ohnehin der AfD nicht freundlich gesinnt sind. Vielmehr wird #unteilbar anzeigen, wie verfehlt die Bündnispolitik der zur Demonstration Aufrufenden ist. Moniert werden muss nicht allein, dass der Umzug unterteilt wird in Themenblöcke, die etwa „Parade-Power-Block: United against Racism & Fascism“ oder „feministisch und queer“ heißen – alles in allem Stichworte, die einem linksradikalen Wunschkonzert gleichkommen. Die Wahl englischsprachiger Chiffren deutet nicht einmal subtil an, besser vor allem eines zu bleiben: unter sich.

Verblüffend indes ist die politische Torheit, einerseits ein „#unteilbar“ zu proklamieren, aber doch so gut wie alles dafür zu tun, dass in Dresden und drumrum die am Samstag Mobilisierten wie ein selbstbezüglicher Kolonisierungstrupp wirken müssen: In Sachsen kommt offenbar mindestens die halbe linke Bescheidwisserwelt .

Bezeichnend für diesen Umstand ist auch, dass, wie es auf Nachfrage so freundlich wie definitiv heißt, Nationalflaggen unerwünscht seien. Verboten sind sie nicht, aber man darf wie voriges Jahr in Berlin davon ausgehen, dass vereinzelte Flaggen mit palästinensischen Umrissen (inklusive des Gebiets, das Israel ist) zu sehen sein werden, aber gewiss – das wird auch in Dresden nicht anders sein – keine deutsche Flagge, also kein Schwarz-Rot-Gold.

„Schwarz-Rot-Senf“ nannten Nazis in der Weimarer Republik die Flaggenfarben – senffarben als sprachlich offener Assoziationsraum für anale Angstfantasien

Linke glauben ja gern, dass diese deutsche Trikolore nur eine rechte Farbbedeutung hat, aber das ist historisch unzutreffend, ja, es ist fahrlässig falsch. Nazis hassen Schwarz-Rot-Gold, und das taten ihre Held*innen des „Dritten Reichs“ ganz besonders, denn die deutsche Farbanordnung war eine der Republik, der Demokratie, der Nichtdiktatur. „Schwarz-Rot-Senf“ nannten sie in der Weimarer Republik diese Flaggenfarben – senffarben als sprachlich offener Assoziationsraum für anale Angstfantasien.

Schwarz-rot-goldene Fahnen könnten es in Dresden Bürger:innen leichter machen, bei der Demonstration mitzumachen, denn die deutsche Nationalfahne ist bis in die Linkspartei hinein genau jene, die für das Gros der Sachsen und Sächsinnen einem Patriotismus entspricht, der sich vom giftigen Nationalismus dadurch unterscheidet, dass er sich nicht über Anderes (Menschen, Länder etc.) erhebt, sondern ein selbstbewusstes Statement zur Republik birgt, keinen Totengesang auf diese – wie bei der AfD.

Dabei käme es gerade in Sachsen (und Brandenburg) darauf an, ein tatsächlich die völkisch gesinnte AfD als aussätzig markierendes Bündnis zu begründen. Und das kann kein solitär linkes sein, keines, das allein die Eingeweihten und oft alle die eigenen Auffassungen nicht teilenden Menschen Verachtenden meint. Sondern auch Sozialdemokrat:innen, Grüne wie Cem Özdemir (einen bekennenden Deutschen und Schwarz-Rot-Gold wertschätzenden Politiker), Konservative wie auch, Pardon, Liberale, und sei es deren Jugendverein, die Julis. Man muss sie, aus der Perspektive des jetzigen Bündnisses, ja politisch nicht lieben, aber dass sie die Bundesrepublik (Rechtsstaat, Gewaltenteilung, Meinungsfreiheit) im Gegensatz zur AfD ebenso erhalten wollen, das darf zur Kenntnis genommen werden.

Wäre die Bundesrepublik ein solch rassistisches Schreckenskonstrukt, wie es die Aversion gegen Schwarz-Rot-Gold nahelegt, dann wäre, nur nebenbei bemerkt, kaum erklärbar, warum ausgerechnet dieses Land für Flüchtlinge aus aller Welt, besonders aber aus Afrika und Asien eines der Hoffnung und des Ankommens ist. Und weshalb, allen größeren und kleineren Schwierigkeiten im Alltag sowie auch der durchaus hasserfüllten Atmosphäre gegen sie bei einer lautstarken Minderheit zum Trotz, ist gerade Einwanderer:innen so an Deutschland gelegen?

#unteilbar ist insofern eine Mogelpackung – die Veranstalter:innen teilen sich im Verhältnis zu 90 Prozent aller anderen selbst ab: Wir sind die Guten, die anderen sind die Unguten bis Bösen. Mit einer solchen Bündnispolitik ist politisch kein Blumenpott zu gewinnen – es sei denn, man hielte es schon für einen Erfolg, sich selbst mit den gusseisern-einzig-richtigen Parolen versorgt zu haben.

Wir sind die Guten, die anderen sind die Unguten bis Bösen. Mit einer solchen Bündnispolitik ist kein Blumenpott zu gewinnen

Wer Menschen, die die Flagge der Bundesrepublik nicht für eine Zumutung halten, nicht dabeihaben will, kann an einem politisch-kulturellen Erfolg kein ernsthaftes Interesse haben. Man predigt sich stattdessen den hohen Ton der guten Menschen vor – und hält das auch noch für tapfer und aufrecht. Wem man zuallererst keinen Gefallen tut, sind die Hunderttausenden Neubürger:innen in unserem Land: Die möchten, in aller Diversität, Teil der (neu)deutschen Normalität werden. Wer schon einmal in einem Rathaus wie dem von Berlin-Neukölln eine Einbürgerungszeremonie mit angesehen hat, weiß, was ich meine.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, zunächst in der Meinungsredaktion, dann im Inlandsressort, schließlich Entwicklung und Aufbau des Wochenendmagazin taz mag von 1997 bis 2009. Seither Kurator des taz lab, des taz-Kongresses in Berlin, sonst mit Hingabe Autor und Interview besonders für die taz am Wochenende. Kurator des taz lab und des taz Talk. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, besonders der Eurovision Song Contest, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. Er ist auch noch HSV-, inzwischen besonders RB Leipzig-Fan. Und er ist verheiratet seit 2011 mit dem Historiker Rainer Nicolaysen aus Hamburg.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.