Geplante Höcke-Rede in Grimma: Irritierende Offenheit im Rathaus

Der Thüringer AfD-Fanatiker darf im Rathaus der sächsischen Stadt eine Wahlkampfrede halten. Dagegen regt sich Widerstand.

Höcke an einem Rednerpult

Im Rathaussaal will Höcke sprechen Foto: reuters

DRESDEN taz | Was wird Björn Höcke, Wortführer des reaktionären „Flügels“ der AfD, am Freitagabend sagen, wenn er im sächsischen Grimma absehbar ein Heimspiel haben wird? Über Auftritten des Thüringer AfD-Chefs, der in seiner Partei gerade den Aufstand der Ultrarechten probt, liegt stets die Spannung strafrechtlich oder zumindest für den Verfassungsschutz relevanter Aussagen. Und im aufgeheizten sächsischen Landtagswahlkampf könnte Höckes fanatischer Patriotismus wieder einmal mit ihm durchgehen.

Eingeladen haben der Grimmaer Direktkandidat Jörg Dornau und sein AfD-Kreisverband. Auch der Anwalt und Bundestagsabgeordnete Jens Maier sowie der brandenburgische Spitzenkandidat Andreas Kalbitz werden erwartet. Kerstin Köditz, Landtagsabgeordnete der Linken und Grimmaer Stadträtin, nannte diese Unterstützer des Kandidaten Dornau „drei der schlimmsten Hetzer“. „Man kann sie mit Fug und Recht nur als Feinde der Demokratie bezeichnen“, fügte sie hinzu.

Nach Bekanntwerden der AfD-Wahlveranstaltung regte sich im Internet Unmut über die Genehmigung, diese ausgerechnet im Saal des prächtigen Renaissance-Rathauses stattfinden zu lassen. Andernorts wird in Wahlkampfzeiten auf strikte Neutralität geachtet, das Mittelsächsische Theater mit den Standorten Freiberg und Döbeln darf nicht einmal mehr gesellschaftspolitische Diskussionen abhalten. „Da kann jeder rein, solange er auf dem Boden der Verfassung steht“, zitiert die Leipziger Volkszeitung Oberbürgermeister Matthias Berger (parteilos) hinsichtlich der Vermietung des Rathaussaales. „Wir können es nicht verbieten.“

Auch ein Rathaussprecher entdeckt im Vorfeld des Höcke-Auftritts das Recht der Parteien auf Chancengleichheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung. Oberbürgermeister Berger indessen lässt in der Grimmaer Innenstadt Flugblätter verteilen, die Einwohner und Ladenbesitzer vor dem Gegendemonstrationszug des Netzwerkes „Leipzig nimmt Platz“ warnen. „Um eine Beschädigung ihrer Fahrzeuge…von vornherein auszuschließen, empfehlen wir das Entfernen ihrer Fahrzeuge“, heißt es darin. Netzwerksprecherin Irena Rudolph-Kokot forderte daraufhin eine Entschuldigung für die „Unterstellung“ und das Schüren von Angst in der Stadt und erinnerte Berger an das Grundrecht, sich unter freiem Himmel zu versammeln.

Sechs Wochen im Osten: Vor der Landtagswahl in Sachsen am 1. September 2019 war die taz in Dresden. Seit dem 22. Juli waren wir mit einer eigenen Redaktion vor Ort. Auch in Brandenburg und Thüringen sind bzw. waren wir vor den Landtagswahlen mit unserem #tazost-Schwerpunkt ganz nah dran – auf taz.de, bei Instagram, Facebook und Periscope. Über ihre neuesten Erlebnisse schreiben und sprechen unsere Journalist*innen im Ostblog und im Ostcast. Begleitend zur Berichterstattung gibt es taz Gespräche in Frankfurt (Oder), Dresden, Wurzen und Grimma. Alle Infos zur taz Ost finden Sie auf taz.de/ost.

Der formal parteilose Matthias Berger kam 2001 auf Ticket der CDU ins OB-Amt und erreichte im Kampf gegen das Hochwasser 2002 eine beispiellose Popularität. Für die anstehende Landtagswahl versuchte er allerdings, gemeinsam mit der Ex-Grünen Antje Hermenau und der früheren AfD-Bundesvorsitzenden Frauke Petry eine Landesliste unter dem Dach der Freien Wähler aufzustellen, was misslang. „Man muss die AfD nicht mögen, man muss aber akzeptieren, dass sie ein öffentliches Haus mietet“, bekräftigt Berger nun. „Wer Höcke nicht mag, sollte ihn mit Ignoranz strafen.“

Ab 18 Uhr haben auch die örtliche SPD, die Grünen und andere zu Protesten und einem „Sommerfest der Demokratie“ auf dem Marktplatz aufgerufen. „Nicht zufällig sind die Reden von Höcke semantisch, strukturell und inhaltlich vergleichbar mit den Reden von Goebbels und Hitler“, analysierte der ehemalige sächsische Grünen-Landessprecher Jürgen Kasek für das Leipziger Aktionsnetzwerk. AfD-Kandidat Dornau wiederum bezeichnete diejenigen als „Linksterroristen“, die zwei AfD-Großplakate in Grimma zerstört hatten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.