Journalistin und Moderatorin Nhi Le: Resignation ist keine Option

Für die 24-jährige Nhi Le war Leipzig lange ein Sehnsuchtsort. Mittlerweile erlebt sie dort einen immer aggressiveren Rassismus.

Nhi Le steht auf einem Marktplatz

„Und dann kam auch noch Legida“ – Nhi Le steht auf einem Marktplatz Foto: Martin Neuhof

DRESDEN taz | Man könnte meinen, Nhi Le sei nicht zum ersten Mal in dieser Küche. Zügig verteilt sie Schneidebrettchen, Messer und Schnibbelanweisungen an die anwesenden taz-RedakteurInnen, stellt den Herd an und erklärt nebenbei, warum sie sich für das Dinner in der Dresden-WG Sommerrollen gewünscht hat. „Das ist einfach ein geselliges Essen, das alle gemeinsam am Tisch zubereiten können.“ Die 24-jährige Journalistin, Speakerin und Bloggerin ist aus Leipzig gekommen, um mit #tazost über das gesellschaftliche Klima in Sachsen zu sprechen.

Seit 2016 gibt Le auch Workshops zu Antirassismus, Antisexismus und Hate Speech. Was sie ihren ZuhörerInnen mit auf den Weg geben will? „Dass es sich um Muster handelt, um gesellschaftliche Strukturen.“ Auf gar keinen Fall dürfe das Bild entstehen, dass Diskriminierung nur ein paar Einzelnen passiere. Sie versucht ihre SeminarteilnehmerInnen „über die Betroffenenperspektive zu sensibilisieren“, den Fokus also weniger auf die reinen Fakten als auf persönliche Erfahrungen zu legen. „Diese Erfahrungen hebe ich dann aber immer auch auf die gesamtgesellschaftliche Ebene.“

Le wuchs in Thüringen auf, gleich nach dem Abi zog sie nach Leipzig. Eine bewusste Entscheidung für Ostdeutschland sei das nicht gewesen, „vielmehr war Leipzig ein Traum für mich, ich wollte da nach der Schule immer hin“. Sie macht sich dort einen Namen in der Poetry-Slam-Szene, bloggt und schreibt Kolumnen.

Mittlerweile forscht sie für ihre medienwissenschaftliche Masterarbeit zu Hetze im Netz, die sich explizit gegen Journalistinnen richtet. Sie will herausfinden, inwiefern Hate Speech und Misogynie die Arbeit dieser Frauen beeinflusst, gar dazu führt, dass sie sich beruflich zurückziehen. Le möchte wissen, ob Journalistinnen, die regelmäßig Hetze ausgesetzt sind, bereit wären, ganze Themengebiete meiden. „Ich kenne das von mir: Über Rechtsextremismus schreibe ich kaum noch.“

Ein ermüdender Kampf

Als Ausgleich zum Unistress porträtiert Nhi Le auf ihrem Blog Frauen, die sie inspirieren. Zum Beispiel die feministische Ikone Simone de Beauvoir, Die Ärztin Kristina Hänel, ihre in Vietnam lebende Großmutter und fiktive Kindheitsheldinnen wie die Hauptfigur aus „Chihiros Reise ins Zauberland“ oder Spinelli aus „Disneys Große Pause“. Die beiden Charaktere eint ihre Mehrdimensionalität und dass sie für ihre Überzeugungen einstehen. „Diese Figuren sind alles andere als klischeehaft. Ich finde mich in ihnen wieder“, sagt Le.

Nach fünf Jahren in Leipzig ist Les Enthusiasmus für die Stadt einer gewissen Alarmiertheit gewichen: „Ich bin schon in der ersten Zeit viel mehr mit Alltagsrassismus konfrontiert worden als vorher in der Kleinstadt.“ Immer wieder sei ihr abgesprochen worden, deutsch zu sein.

„Und dann kam auch noch Legida.“ Dass sich seither die gesellschaftliche Stimmung verschärft hat, hat sie nach einem längeren Studiumsaufenthalt in den USA festgestellt: „Der Kontrast war sehr krass.“ Zurück in Leipzig erlebt Le einen immer aggressiveren Rassismus. „Die Leute hatten plötzlich keine Angst mehr, ihre menschenverachtenden Positionen kundzutun.“

Besonders belastend findet sie, dass viele LeipzigerInnen ihr die rassistischen Erfahrungen nicht glauben wollen. „Man gilt dann gleich als Netzbeschmutzerin, weil Leipzig ja so weltoffen sei oder zumindest immer noch viel besser als anderswo in Sachsen.“ Dabei kenne sie nichtweiße Menschen, die Leipzig verlassen hätten – „weil es für sie dort so schlimm ist“. Le glaubt, dass es viele EinwohnerInnen gibt, die sich der gesellschaftlichen Probleme zwar bewusst sind, sie aber abstreiten, um das vermeintlich positive Stadtimage zu bewahren. „Und mir dann erklären wollen, dass ich mich bloß in den falschen Ecken rumgetrieben habe.“ Dabei habe es vor wenigen Monaten einen rassistischen Angriff in einer Straßenbahn Richtung Innenstadt gegeben. „Und davon, dass Passagiere eingegriffen hätten, war nirgends die Rede.“

Resignation ist für sie aber keine Option: „Der Kampf gegen Rechtsextremismus laugt aus und ich verstehe, wenn man da nicht mehr kann“, sagt Nhi Le. „Ich werde mich aber weiter politisch engagieren.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.